Studentenalltag

Unter Muslimen: Im WG-Leben zwischen Hamas und Evolutionstheorie

Geschrieben von Redaktion

Ein Auslandsstudium bringt immer neue Erfahrungen mit sich und oft auch neue Freunde. Ich habe einige neue Menschen kennengelernt und auch mit ihnen gewohnt. Die Jungs aus Jordanien sind meine Freunde geworden, das sage ich am Anfang so deutlich, weil du gleich Dinge lesen wirst, die sich auch teilweise sehr komisch anhören. Ich wohnte also mit streng gläubigen Muslime zusammen, was mir anfangs überhaupt nicht aufgefallen ist, da die Jungs sehr aufgeschlossene Menschen sind.

Ganz Deutschland redet von Integration, der Islam „ist Teil Deutschlands“ geworden. Das habe ich eigentlich auch so gesehen. An meiner Uni gibt es ja einige Muslime und es gibt immer ein paar Attribute, die jedem direkt so einfallen.:

-Muslime sollen fünf Mal am Tag beten
-Haben eine Fastenzeit
-Trinken kein Alkohol und essen kein Schweinefleisch
-Beziehungen dürfen nur mit dem Einverständnis der Eltern geführt werden, kein Sex vor der Ehe…

Dies sind so die gängigen „Regeln“, die uns besonders im Alltag auffallen, natürlich ist das nur eine kleine Auswahl.

Zu meiner Geschichte

Mohammed hält mir ein Facebook – Video vor die Augen, auf dem ein Kind mit halbem Gesicht zu sehen ist, lebend: „Das waren die Israelis.“ Uhhhh, schwieriges Thema. Die Israelis hatten wohl Land von seinen Großeltern genommen und diese getötet. Verständlich, dass man da nicht gut auf Israel zu sprechen ist. In den Medien war der israelisch-arabische Konflikt auch gerade brandaktuell. „Was wollen die da, das ist unser Land!“

Ich musste mich tatsächlich bei Wikipedia einlesen, um historisch nachzuvollziehen, wer wann dort gelebt hat. Vergesst es, die haben alle da gelebt. Ich war also in der unglücklichen Situation, der HAMAS meine Sympathie aussprechen zu „dürfen“. Israels Kriegsführung ist in den letzten Wochen tatsächlich nicht vorteilhaft gewesen (viel zu viele zivile Opfer), aber in den Augen meiner Mitbewohner ist die Hamas eine (Wohltätigkeits-)Organisation, die sich nur zur Wehr setzt. Das kann so ganz auch nicht stimmen.

„Nur wer wie ein Muslim handelt, ist auch ein Muslim.“ Also sind die Menschen, die an den Islam glauben, aber trotzdem Gewaltverbrechen ausüben, sei es an anderen Muslimen oder Menschen fremder Religionszugehörigkeit, keine Muslime?, fragte ich. In den Augen meiner Mitbewohner stand ein großes NEIN, obwohl sich diese Menschen selber Muslime nennen.

Bevor sich das alles so negativ anhört, die Jungs sind vorbildliche Muslime und wirklich gute Menschen. Deswegen konnte ich ihnen das auch nicht wirklich übel nehmen. Es ist einfach interessant zu sehen, wie andere denken. Deswegen geht es noch weiter im Absurditäten-Kabinett:

Wir hatten uns verabredet etwas trinken zu gehen. Da in manchen Clubs Tänzerinnen sind, habe ich extra eine normale Bar ausgesucht. Open Air, nette Leute, Musik, nichts, was anzüglich wäre. Während wir uns schon an den Eingang stellen, sagte einer: „Da können wir nicht rein.“
Um es abzukürzen, ich erfuhr, dass der Anblick von Frauen nicht gut sei und in Versuchung führen könnte. Dies war zwar auch der Grund, warum die einzig weibliche Person der Stundenten zwei Wochen alleine zuhause geblieben ist, ohne zu uns zum Abendessen zu kommen. Der Konsum von Pornos hingegen ist zwar auch verboten, wird aber trotzdem gemacht. Willkommen Doppelmoral. 😀

Langsam dämmerte mir, dass der Islam, der als Teil von Deutschland bezeichnet wird, oft moderater und westlicher gelebt wird, als es meine jordanischen Freunde machten.

Schlimmster WTF-Moment

Als Studenten eines naturwissenschaftlichen Faches ging ich davon aus, dass ein wenig Grundwissen über die Evolution vorhanden war. Nö! Adam war der erste Mensch. Ha! Jetzt hatte ich sie. Nach einem kurzen Einwand, dass wir nicht glauben, dass Menschen vom Affen abstammen, zeigte ich Bilder von Urmenschen. Der im Koran erwähnte Adam war aber ein Homo sapiens von der Art seines Handelns. Allgemeine Verwirrung. Ich hatte sie zum Nachdenken gebracht.

Eine krasse Aussage war auch: „Homosexuelle akzeptiere ich nicht als Menschen“. Dies sagte aber nur einer von der Gruppe so. Ich konterte lediglich mit einem homosexuellen Blow-Job-Video aus dem Tierreich 😉

Lediglich einer war aufgeschlossener und lies mich in den nächsten Wochen vermehrt über solche Themen reden. Ein grundlegendes Problem war, dass alles, was im Islam gelehrt wird, was auch im Koran steht, wortwörtlich und für bare Münze genommen wird. Verdammt, das ist ein 2000 Jahre altes Buch!
(Yes, das gilt auch für die Bibel. Ob gläubiger Christ oder nicht, wer glaubt, die Welt wurde in sieben Tagen erschaffen und es gab nur Adam und Eva, der hat meiner Meinung nicht verstanden, das man die Erzählung in dem Kontext sehen sollte, in dem sie geschrieben wurde.)

Meine muslimischen Freunde machten also das, wozu sie erzogen wurden. Das zu glauben, was gelehrt wurde. Es ist ein blinder Glaube ohne großes Hinterfragen. Es fehlt der wesentliche Blick dafür, in welchem Kontext der Glaube entstanden ist. Dann gibt es immer wieder Videos, die dieses feste Bild anfeuern. Beweise, dass schon im Koran steht, wie sich der Embryo im Mutterleib entwickelt. Ja, warum auch nicht? Nur, weil jemand vor 2000 Jahren schon eine Idee hatte, wie sich ein Mensch entwickelt, ist also auch alles andere richtig und zeitgemäß?

Ich habe zumindest erreicht, dass sich einer von ihnen mehr mit Dingen wie Evolution auseinandersetzt. Oder hinterfragt, warum es schlecht sein soll, auf Konzerte zu gehen, auf denen getanzt wird. Was ist das für ein Allah, der alles, was sozial ist, verbietet? Schönstes Zitat: „Wir können Sport machen oder auch Party – mit unseren männlichen Freunden.“

Ich will den Islam überhaupt nicht schlecht machen, nur das Weltbild eines streng gläubigen Muslims (das hat übrigens nichts mit Extremismus zu tun, im Gegenteil), hat mit westlicher Kultur absolut nichts zu tun. Die Rolle der Frau habe ich hier nicht groß angeschnitten.
Die Zeit habe ich trotzdem genossen und die Diskussionen waren sehr anregend. Das Wichtigste aber war, dass man die Meinung des anderen akzeptiert. Deswegen galt immer die Aussage: „Wenn du damit glücklich bist, dann ist es ok für mich.“ Man darf ja trotzdem anderer Meinung sein.
Außerdem: Ich habe auch Muslime aus Ägypten kennengelernt, die eher aus westlichem Holz geschnitzt waren und die Regeln so ausgelegt haben, wie ich sie aus Deutschland kenne. Es gibt natürlich nicht nur schwarz und weiß.

Mein Fazit

Man sollte Menschen nicht überzeugen, etwas anderes zu glauben, aber man sollte Menschen zum Nachdenken anregen. Von islamischer Gastfreundschaft und dem Familienzusammenhalt könnten wir uns sogar eine Scheibe abschneiden in Zeiten des totalen Moralverfalls 😉
Je aufgeschlossener und westlicher Muslime orientiert sind, desto besser klappt ein längerfristiges Miteinander. Freundschaften sind auch gut möglich zu streng gläubigen Muslimen, allerdings ist es auf größerer Ebene ein gesellschaftliches Nebeneinander statt Miteinander. Die Reibungsfläche IST einfach zu groß, was grundlegende Themen angeht. Wer da etwas anderes behauptet, hat noch nie ein paar Wochen zusammengelebt.

Das, was ihr hier lest, ist ein persönlicher Erfahrungsbericht von mir, wie ich es erlebt habe. Vielleicht geht es dir total anders.

Photo Credit: Ranoush. cc

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