Studentencampus

Fauna des Campus: BildungswissenschaftsdozentInnen

Älterer Hörsaal mit erhöhtem Podest für den Dozenten und typischen Klappstühlen aus Holz - die Bildungswissenschaftsdozentinnen.
Geschrieben von Jann Wattjes

„WAS ihr feiert: ARMUT AUSGRENZUNG LEISTUNGSZWANG“,

habe ich mir leider Zeit genommen an der bunt beklebten Straßenlaterne nordwestlich meiner Bushaltestelle zu lesen. WAS ich aktuell „feiern“ würde, wären Aufzählungskommata und besonnenere Verwendung des Caps-Locks. Doch so bleibt mir nur das Zwengen in die Linie 9 zwischen Paderborner Export ausatmenden Alt-Punks und (selbst hier) auf dem Boden sitzenden Pärchen mit Dreadlocks. „Wozu brauchen wir denn auch ’ne Währung? Damit wollen uns die Großkonzerne doch nur versklaven; Tauschhandel hat Jahrtausende funktioniert und ist das einzige auf Fairness beruhende Wirtschaftssystem.“

Glück für den Mann mit der Yofu-Wampe, dass gerade in dem Moment, in dem ich bereit bin, seine unreine, speckige Gesichtshaut gegen Verbrennungen 3. Grades einzutauschen, „Uni/Südring“ durch den PaderSprinter hallt. Doch auch die Uni selbst bietet mit dem 3. lebensgroßen Tischfußballturnier und einem blassen, schmierigen Jungen, der anderen heimlich atac-Flyer zusteckt, keinen Anreiz zur Aufmunterung. Klar handelt es sich hier um eine Lehramts- bzw. letzte Chance-Uni. Aber in meinen unzähligen Fachsemestern war es nie so schlimm wie jetzt. Ich bin allein unter Linken. Wie ein Seeheimer oder ein rational bestückter Mann unter Linksträgern.

Der rechte Aufzug ist defekt, ich erreiche das Seminar als Letzter, passend dazu, dass es das letzte ist, was ich in der Bildungswissenschaft (im Folgenden bewusst nicht als BiWi abgekürzt) noch zu absolvieren habe. Und das wurde mit viel Bedacht auserkoren, denn in keinem anderen Studienteilgebiet wirkt eine Misswahl (falls euer mittelscheiteliger Mitbewohner euch demnächst wieder zu einer Runde Teekesselchen einlädt) schwerer als hier…

Denn BildungswissenschaftsdozentInnen sind in der Regel gleichermaßen verstörte wie verstörende Kreaturen.

Um sich im Zuge seines Lehramtsstudiums dazu zu entscheiden, lieber Dozent zu werden, muss man über ein Mindestmaß an Autoritätsmangel, um bei gewöhnlichen Schülern zu versagen, und eine Mindestdosis an Gleitgel, um mit dem vollen Körper in Professorenrekta zu passen, verfügen. Um dann im Zuge dieser Dozentenlaufbahn zusätzlich noch festzustellen, dass man sogar für beide selbst ausgewählten Fachrichtungen zu blöd ist und man allerhöchstens noch Unterrichten unterrichten kann, braucht man ein besonders niedriges Höchstmaß an Schamgefühl. Mischen sich diese Schicksalsketten dann auch noch mit einer rotgefärbten Kurzhaarfrisur, dem Vornamen Dörte und einem Sweater mit #emma-Aufdruck, empfehle ich jedem Studenten die sofortige, panische Flucht. Doch es hatte mich schon bemerkt und bat mich bestimmt Platz zu nehmen. Was war geschehen? Ich hatte doch extra den einzigen Kurs ohne „Heterogenität“ im Titel gewählt und jetzt saß ich plötzlich vor einer PowerPoint-Präsentation über „ChancengleichheitInnen sozialer Milieus in unserem maroden Bildungssystem“.

Diese analysierend, reihen sich ergriffene Mitgefühlsbekundungen aneinander: „Das kann doch nicht angehen, dass eine alleinerziehende Küchenhilfe, die fünf Kinder von sechs abgeschobenen Vätern hat, weniger verdient als eine Arztfamilie!!!“ Die Erstmal-nur-ein-Fach-auf-Berufskolleg-Studentin ist – obwohl sie seit ihres 3,0-Abiturs an der Jann-Wattjes-Gesamtschule in Kattenvenne nicht  mehr so wirklich was geleistet hat – sichtlich erregt und würde wohl am liebsten den ganzen Bundestag auf die Gleise binden. Doch ich wäre ja nicht der Schutzpatron der Gutmenschen und Weltverbesserer, würde ich mich nicht in genau solchen Situationen für die allgemeine Beruhigung opfern.

Leider nur brennt mein Argument, dass für jegliches vorhandenes Kapital in unserer Gesellschaft mal hart oder erfolgreich gearbeitet und Steuern gezahlt wurden, auf meinen Kommilitonen schmerzhafter als die Laser-Therapie, die sie in zwei Jahren zur Entfernung ihrer Eulen-Tattoos brauchen werden. Mit Fackeln und Mistgabeln (s. „ostwestfälisches Alltagsgepäck“) jagt man mich aus dem Seminar, mich als FDP-Wähler beschimpfend. Dabei wähle ich die gar nicht zwingend, sondern verkaufe meine Stimme stets an den freundlichen Lobbyisten, der immer seinen Maybach in meiner Straße parkt…

Aufgrund der oben genannten Ereignisse, sehr geehrte Frau Dr. Dörte Ohrl-Ocheiter, sehe ich mich gezwungen, Ihr Seminar mit einer 5 von 10 zu bewerten. Auf den entstandenen Lynchmob, diverse Petitionen mich per Schlepper übers Mittelmeer zu deportieren und die Erkenntnis, dass sämtliche jetzt hasserfüllte StudiBlog-Leser mal so überhaupt nicht meine Zielgruppe sind, war ich nicht vorbereitet und schränkten ein entspanntes Lernerlebnis für mich doch wesentlich ein. Dennoch muss ich sagen, dass ich in der Bildungswissenschaft noch nie ein so schönes, friedliches Seminar erlebt habe. Daumen hoch für ein Umdenken in den Köpfen – in welchen auch immer.

Weitere Fauna des Campus-Teile:

Bildquelle: pexels

Über den Autor/die Autorin

Jann Wattjes

Bitte nicht beschweren, einfach direkt zuschlagen!

Einen Kommentar abgeben

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.