Studentencampus

Leidest du an FOMO – Angst, etwas zu verpassen?

Sanduhr auf einer Zeitung zum Thema - FOMO, Angst etwas zu verpassen
Geschrieben von Pascal Keller

FOMO.

Während ich diese Zeilen tippe ist es Freitagabend, 21.13 Uhr. Alle meine WG-Mitbewohner sind zum Feiern ausgegangen und ich sitze hier alleine in meiner kleinen Studentenbude und schreibe diese Zeilen.

Neben mir mein, frisch gebrühter Kaffee, ein Glas Wasser und natürlich mein Smartphone, das schon seit einer Stunde blinkt wie wild. Ich schaue bewusst nicht drauf, denn ich habe mir vorgenommen, heute endlich einen neuen Beitrag fertig zu bekommen.

Doch dieses verdammte Teil hört nicht auf zu blinken. Als wieder eine neue Nachricht anzeigt, schwirren Gedanken durch meinen Kopf: „Ob meine Freunde jetzt wohl auf einer guten Party sind? Das ist nachher bestimmt die beste Party des Jahres gewesen und du warst nicht dabei….“   „Ach Blödsinn.“, antworte ich mir selbst. „Wann war denn hier in Deggendorf schon mal eine unvergessliche Party?“

Ich schreibe weiter.

Doch langsam kommen meine Zweifel. „Was wenn heute? Was wenn ich doch etwas total superaffenscharfes verpasse? Schließlich haben über 500 Leute auf der Facebook-Veranstaltung zugesagt. Das kann ja nicht so schlecht sein…„“Blödsinn“, sage ich mir erneut.  Doch warum blinkt dann mein Smartphone so wild? Bestimmt schreiben mir alle, wie gut die Party ist. Wahrscheinlich habe ich schon die ersten Geschichten verpasst. Meine Zweifel werden immer stärker und dann schießen mir wieder diese endlos nervigen Fragen durch den Kopf: „Lebe ich mein Leben wirklich aus? Genieße ich auch jede Sekunde? Tue ich etwas Sinnvolles? Mache ich wirklich meine Zwanziger zur besten Zeit meines Lebens? „

Ich werde hibbelig. Innerlich unruhig. Ich kann mich kaum noch aufs Schreiben konzentrieren. „Ich sollte los gehen“, sage ich mir selbst, schlüpfe in meine Jeans und klappe meinen Laptop zu.

Die FOMO hat mich mal wieder gepackt. Tschüss. Auf zum nächsten Erlebnis!

Leidest du auch unter FOMO?

Vielleicht hast du diesen verrückten Begriff schon mal gehört. Mir ist er erst kürzlich über den Weg gelaufen, aber ich muss sagen, dass er den Nagel auf den Kopf trifft. Und obwohl mein Social-Media-Konsum sich stark in Grenzen hält, kenne auch ich FOMO:  The Fear of missing out – die Angst, etwas zu verpassen.

Ich glaube, dass die Angst, etwas zu verpassen zu einer der größten Ängste unserer Generation gehört.

Ständig haben wir Angst, etwas zu verpassen. Die neuesten Nachrichten, die neusten Trends, den neusten YouTube-Hit. Heute leben wir mit der ständigen Angst, dass jemand anderes mehr unvergessliche Erlebnisse hat, mehr Geld verdient, mehr Freunde hat oder mehr reist, als wir. Unsere sozialen Netzwerke sind zu den Maßstäben unseres Lebens geworden. Ständig sehen wir Status-Updates, Filter-Fotos und Snapchat-Videos von Menschen, die augenscheinlich großartige Sachen zu jeder Tageszeit, in jedem Moment ihres Lebens machen.

Dazu muss man nicht einmal auf Facebook Mr. Goodlife folgen oder bei Instagram der Bloggerin, die nur Reisefotos postet. Dazu reichen einzig und allein unsere Freunde. #YOLO. #Awesome, #Live your dreams… jeder postet, jeder hat mehr. Weil wir ständig vernetzt sind, wissen wir immer, was der andere gerade macht. Schließlich bekommt man ja genug Fotos via WhatsApp oder Videos via Snapchat zugeschickt. Oder kannst du dich an die letzte Party erinnern, von der kein Foto oder kein Snap existiert?

Das Mitteilungsbedürfnis und die Glorifizierung eines jeden Ereignisses führen schließlich dazu, dass wir das Gefühl bekommen, dass unser Leben im Vergleich zum Leben der anderen langweilig ist.

Wir bekommen die unterbewusste Nachricht: Mach mehr, sonst lebst du nicht!

Das ist der Grund warum wir auf mehrere Partys am gleichen Abend gehen, mit mehreren Frauen in der gleichen Woche ein Date haben und neben der Arbeit noch ein Fernstudium machen. Ja nie hinten dran sein. Ja nie etwas verpassen.

Der Druck, die Zwanziger nicht zu vergeuden, treibt uns an, immer schneller, oberflächlicher und verschwenderischer zu leben.

Wir bewaffnen uns mit Smartphones, Tablets und Kindles, um jede Information aufzusaugen, um immer Up-to-Date zu sein. Wir wollen das Maximale aus uns heraus holen – und bleiben am Ende selbst auf der Strecke.

Eine gestresste Generation

Unsere Generation ist gefühlt heute immer auf dem Sprung. Ich kenne viele twentysomethings, die von einer Verabredung zur nächsten rennen, ohne mal wirklich irgendwo anzukommen. Die von einem Event zum nächsten hetzen, zwischendurch Hausarbeiten hinrotzen, sich auf Konzerten austoben, nebenbei noch der Selbstverwirklichung frönen, Fotos auf Instagram posten und – wenn noch Zeit bleibt – ihre zwischenmenschlichen Beziehungen pflegen.

Sie sind ständig online, ständig erreichbar, ständig in Aktion.

Puhh… ein stressiges Leben, dass viele von uns sich selbst einbrocken und irgendwie auch noch geil finden.  Ich persönlich finde es eher erschöpfend und nervenaufreibend.

Denn:

  • Egal, zu wie vielen Partys ich gehe – auf allen kann ich nie gewesen sein.
  • Egal, wie viel ich Reise – ich werde nie alles sehen können.
  • Egal, wie viele Menschen ich kenne – ich werde nie alle kennen können

Das Ganze „Ich-muss-überall-dabei-sein“-Spiel ist ein Unglückskreislauf. Denn das Genießen bleibt ebenso auf der Strecke, wie das Miteinander. Statt zusammen etwas zu erleben, habe ich das Gefühl, dass sich jeder ständig überbieten und alles für die anderen Freunde dokumentieren muss.

Viele von uns sind mehr damit beschäftigt, nichts zu verpassen, als sie damit beschäftigt sind, ihr eigenes Leben zu leben. In diesem FOMO-Leben ist für die wichtigen Dinge des Lebens, wie

  • eigene Projekte starten
  • über Ziele nachdenken
  • intensive Beziehungen führen
  • träumen und reflektieren
  • stille Momente genießen

keine Zeit vorgesehen.

Que pena!“, würde man auf Portugisisch sagen.

„Was für ein Irrsinn“, würde man vielleicht auf Deutsch sagen.

Ich glaube folgendes:

„Die Angst Dinge zu verpassen, führt dazu, dass du deine Zwanziger verpasst“

3 Strategien, die dir helfen, deine FOMO zu überwinden

Es ist offensichtlich, dass FOMO unser Leben und unsere Zufriedenheit negativ beeinflusst.

Wie eine aktuelle Studie des Journal of Behavioral Addictions beispielsweise herausfand, leiden mehr als zwei Drittel der amerikanischen Studenten unter FOMO. Die Studie zeigte zudem, dass es eine direkte Korrelation zwischen Lebenszufriedenheit und Social Media-Aktivitäten gibt:

Je höher die Social Media-Aktivitäten, desto höher die Wahrscheinlichkeit für Depression und Kummer.

Damit es bei dir nicht so weit kommt, möchte ich dir im Folgenden drei Strategien an die Hand geben, die mir geholfen haben, meine Social Media-Aktivitäten zu reduzieren und meine Angst, etwas zu verpassen, zu überwinden.

1. Nimm Social Media-Weeks

Diesen Tipp habe ich in der Biographie von Bill Gates entdeckt. Bill Gates geht jedes Jahr in einen zweiwöchigen Urlaub. Er nennt diese zwei Wochen „Think-Weeks“. Während dieser Think-Weeks verbringt er 15 Stunden am Tag mit dem Lesen von Büchern, Zeitschriften und Unternehmensberichten.

Abgesehen von einem Hausmeister, der ihm zwei Mahlzeiten am Tag bringt, stört ihn niemand – nicht mal seine Frau. Gates ist an diesen Tagen auf der Suche nach Ideen für neue Trends in der digitalen Kommunikation, Fotografie und so weiter. Er nennt diese Wochen einen der „wichtigsten Faktoren“, die Microsoft zu einem der erfolgreichsten Unternehmen unserer Zeit gemacht hat.

Du kannst diese Idee auf dich anwenden und Anti-Social-Media-Weeks machen.

Versuche, in diesen 1-2 Wochen bewusst offline zu sein. Und damit meine ich komplett offline (abgesehen vom Telefon und Briefkasten vielleicht). Optimal, um Anti-Social-Media-Weeks zu nehmen, sind längere Reisen und Wandertage in den Bergen.

Nimm dir diese Zeit und entfliehe dem FOMO-Druck. Du wirst schnell bemerken, wie wundervoll ruhig und stressfrei das Leben sein kann, abseits von der ständigen Angst, etwas zu verpassen.

2. Stelle alle Benachrichtigungen ab und lösche 90% deiner Apps

Als ich mir vor knapp 6 Jahren mein erstes Smartphone kaufte, war der App-Store mein neuer Spielplatz. Jeden Tag lud ich mir neue Apps runter mit dem Ziel, mehr Informationen zu haben. Ich hatte am Ende 5 Nachrichten-Apps, 3 Zeitungsapps und 6 Social-Media-Apps.

Du kannst dir vorstellen, welche Party auf meinem Smartphone tagtäglich abging. Ständig blinkte, vibrierte und rappelte es. Es fühlte sich gut an, immer up-to-date zu sein. Doch schnell bemerkte ich, dass ich mich kaum noch konzentrieren konnte. 90 Minuten Vorlesung waren plötzlich zu lang, um ohne meinen Informationskick auszukommen und 30 Minuten zu anstrengend, ohne auf mein Smartphone zu schauen.

Ich hatte eine Sucht nach dem Neuen, nach dem Mittelpunkt des Geschehens.

Ich entschied mich daher zu einem radikalen Schritt: Ich löschte 90% meiner Apps und stellte alle weiteren Benachrichtigungen ab. Heute habe ich nur noch 5 Apps auf meinem Smartphone: WhatsApp (ein Must-Have), Amazon Music, Google Maps, Dropbox und Google Translate.

Ich schaue einmal pro Tag auf meine zwei ausgewählten Nachrichtenseiten im Internet und das wars.

Am Anfang hatte ich noch das Gefühl, etwas zu verpassen. Ich wusste ja plötzlich nicht mehr darüber Bescheid, wer im Dschungelcamp ausgeschieden war und warum die Griechenland-Krise immer noch nicht beendet ist. Nach und nach stellte ich aber fest, dass ich nichts Weltbewegendes verpasse, denn falls wirklich etwas passierte, das ich wissen musste, erzählte es mir mein Nachbar in der Uni.

Ich kam gut zurecht ohne übermäßig viele Informationen zu konsumieren. Ich fühlte mich endlich wieder frei.

Deshalb entschloss ich mich, komplett auf überflüssige Nachrichten zu verzichten und stattdessen meine zurückgewonnene Zeit für Dinge zu nutzen, die mich wirklich glücklich machen: mit Freunden und Familie Zeit verbringen, regelmäßig schreiben, schlafen, Gespräche führen, Sport machen und Bücher lesen.

Das macht mich nicht nur glücklicher, sondern um 200% produktiver.

3. Werde dir bewusst, dass du nie überall sein kannst

Wie fast bei allem in unserem Leben, beginnt auch das Ende der FOMO mit einer Erkenntnis:

Du kannst nie alles haben. Oder wie meine Oma auf pfälzisch sagen würde: „Du kannsch nid uf zwä Hochzeite tanze!“

Und es stimmt: Sich nicht ohne Wenn und Aber für eine konkrete Veranstaltung zu entscheiden, sondern nach zwei Stunden die Location zu wechseln, macht unglücklich. Und zwar nicht nur den Gastgeber, sondern auch uns selbst, weil wir uns immer fragen werden, ob es jetzt nicht doch auf der anderen Party besser wäre.

Wenn dich also das nächste Mal die FOMO besuchen kommt, dann grinse dankbar und sage leise:

„Ich brauch dich nicht mehr, liebe FOMO!“

Atme dann tief durch und genieße einfach das, was du gerade hast.

FOMO – Am Ende möchte ich dir noch folgenden Impuls mitgeben:

Wenn wir unser Leben nur noch darauf ausrichten, überall dabei zu sein und versuchen alles zu haben, dann versuchen wir im Grunde ein wertloses Leben zu führen; ein Leben in dem alles gleich wichtig und gleich wertvoll ist.

Und in einem Leben, in dem alles gleich wertvoll und gleich wichtig ist, ist am Ende nichts wirklich wertvoll und nichts wirklich wichtig.

 

Weitere Beiträge zum Thema Angst:

Mit Versagensangst umgehen lernen

Deine Spiegelselfies machen mir Angst

Die Angst vor Veränderung

 

 

Über den Autor/die Autorin

Pascal Keller

Pascal hat zwar nicht alle Antworten auf das Leben als twentysomething, aber er versucht sie zu finden und damit die Welt zu erobern ;-) In der Zwischenzeit gibt er seine gesammelten Erfahrungen an junge Menschen weiter und hilft ihnen damit, mehr aus ihren Zwanziger zu machen. Vielleicht hilft er auch dir weiter.

Erfahre mehr über Pascal und seine Arbeit auf www.pascalkeller.com

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