Studentenalltag

Das Kind in mir

Das Kind in mir - das Fratzen macht
Geschrieben von itswaypastmybedtime

Es ist diese Zeit

Es ist diese Zeit, in der die bunten Herbstblätter sämtliche Gehsteige und Wege bedecken und man das Gefühl bekommt, in einem Gemälde zu spazieren. Es ist diese Zeit, in der Wollmützen aus den Schränken hervorgeräumt werden und die Nasenspitze rot anläuft, wenn man nicht aufpasst. Es ist die Zeit für dicke Pullis von Oma, noch dickere Socken an den Füßen und die Tasse heiße Schokolade am Abend eines langen Uni-Tages. Es ist diese Zeit in der es dunkel ist, wenn ich morgens aus dem Haus gehe und dunkel ist, wenn ich abends wieder heim komme. Es ist diese Zeit, in der man kuschelnd am Sofa liegen will und niemand zu schwitzen beginnt.

Es ist Herbst und während in dieser Phase des Jahreszyklus alles beginnt, über den Winter einzuschlafen, erwacht es in mir: Das innere Kind. Zuerst meldet es sich nur ganz leise, klopft förmlich an und tastet ab, ob ich schon bereit für es bin. Ist es dann so weit, gibt es kein Halten mehr. Wir toben in Blätterhaufen, teilen unsere (Sand-)Kuchen mit anderen, tragen die Haare in Pippi-Langstrumpf-Zöpfen und schreiben Wunschlisten ans Christkind. Komisch, wie alle immer meinen, sie müssten ihr inneres Kind finden. Ich habe eher das Gefühl es findet mich.

das innere Kind

Bild: flickr

Laut, bunt, selbstbestimmt

Das Kind in mir ist kein hilfloses oder verletzliches Wesen, ganz im Gegenteil. Es ist laut und bunt und selbstbestimmt. Es ist so energiegeladen, dass meinem Twentysomething-Dasein manchmal fast die Puste ausgeht. Wenn ich eigentlich lieber frustriert daheim die Decke über den Kopf ziehen will, drängt es mich, hinaus zu gehen und ‚Abenteuer‘ zu unternehmen. Wenn ich kurz davor bin, eine Verabredung abzusagen, hält es mich davon ab, weil Spielkameraden wichtig sind und man sich dafür Zeit nehmen muss, meint es. Mein inneres Kind hat ganz andere Prioritäten als mein Twentysomething-Ich und das empfinde ich als sehr bereichernd.

Warum das Kind in mir im Herbst immer am lautesten schreit? Ich weiß es nicht, aber es  flüstert mir zu, dass das okay ist. Man muss nicht immer alles wissen, ist es überzeugt und das ist im Uni-Alltag mal ein ganz neuer Ansatz. Des Öfteren lasse ich mich jetzt von ihm hinreisen, einfach mal bockig zu sein, verschränke die Arme vor der Brust und strecke meine Zunge heraus. „Bäääh du bist blöd!“, war neulich mein schlagfertiges Argument, mitten in einem Streit, gegenüber meinem Freund, was diesen plötzlich losprusten und unsere kleine Zwistigkeit vergessen ließ. Man muss nicht immer ‚erwachsen‘ sein, sich unter Kontrolle haben und Gefühle wegsperren. Das Kind in mir filtert kaum, weder Ärger noch Liebe (wobei letzteres eindeutig überwiegt), verteilt alles frei von der Leber weg in seinem Umfeld und das überraschende ist: alle sind okay damit.

Die Child-Adult Balance

„Ist schon wieder Herbst?“ fragt meine Freundin grinsend mit Blick auf meine bunten Ringelsocken zum schwarzen smarten Blazer und wir lachen gemeinsam. Eigentlich ist nie nicht Herbst in meinem Leben, denke ich. Oder hoffe ich zumindest. Alle sprechen ständig von der Work-Life-Balance, dabei geht es viel eher um die Child-Adult-Balance im Dasein eines jeden von uns. Als Kinder waren wir viel offener, viel mutiger, viel ‚einfacher‘ – auf eine gute Weise –  und waren mit uns und anderen im Umgang viel liebevoller.

In einer (herbstlichen) Zeit in der wir vielleicht mehr in einer Art (geistigem) Wachkomazustand vor uns hin vegetieren, fordert das Kind in mir ein, das Leben wahrzunehmen und ausgelassen zu umarmen. Mit all meinen Sinnen und all meinen Möglichkeiten. Zu oft vergesse ich, das Leben schon jetzt wirklich ernst zu nehmen und mir nicht immer zu sagen: ‚nach der Prüfung‘ oder ‚nach dem Abschluss‘. Vielleicht geht es ja nicht nur mir so. In jedem Fall aber gehe ich jetzt Kekse essen. Weil mir danach ist. Einfach so.

Bild: flickr

Über den Autor/die Autorin

itswaypastmybedtime

Ich bin eine kleine, über Berge hüpfende und dabei Edelweiß-Lieder singende (naaaa wer erkennt die Sound of Music reference?) Student-in des Alpenlandes die sich irgendwann mal hier her verirrt hat und jetzt wie Alice Gefallen am Wunderland gefunden hat. Ich schreibe über alles und nichts. Dinge die mir so passieren, Gedanken die ich in Worte fassen will oder die ein oder andere große Weisheit die ich in meinem jungen Leben schon kapiert hab und großzügig mit euch übrigen unwissenden und herumdümpelnden Mit-20ern teile ;-)

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