Studentenbeiträge

WG-Geschichten [Teil 2]: Pizza und Bananenchips

WG-Geschichten mit meinen verrückten Mitbewohnern: Pizza und Bananenchips
Geschrieben von Mairce H. Asé

 

Kathi kommt gerade aus dem Fitnessstudio in unsere WG zurück. Ich schaue auf die Uhr. Es ist halb elf. Nachts. Sie sagt, ein Stündchen Workout hilft ihr, nach einem langen Tag in der Bibliothek zu entspannen. Ich schüttle den Kopf über so viel Aktionismus und esse gerade das eine Stückchen Schokolade, das ich mir am Abend gönne und das eine 300-Gramm-Tafel groß ist.

Ein langer Bibliothekstag sieht bei mir so aus, dass ich mich um elf aus dem Bett quäle, eine Stunde lang frühstücke und mich dann mal langsam zur Uni aufmache. Vor der Mensa steht dann immer schon eine kilometerlange Schlange, die aufs Mittagessen wartet und ich frage mich, ob die alle schon so früh aufgestanden sind, oder so verstrahlt, dass das vegane Chili con carne ohne Fleisch dafür aber mit viel Geschmacksverstärkern und extra Glibber wie ein verlockendes Frühstück wirkt.

Stolz darauf, dass ich vergleichsweise früh geistig schon voll da bin, hole ich mir den zweiten Kaffee des Tages, ignoriere die großen roten Schilder, die mir sagen, dass ESSEN UND TRINKEN IN DER BIBLIOTHEK VERBOTEN IST, höchstens stilles Wasser, ABER AUCH DAS NUR SEHR UNGERN, untermalt von einer hilfreichen Zeichnung, die einen Kaffeebecher mit einem großen X durchkreuzt, und setze mich neben einen Typen, der gerade eine dicke Pizza verdrückt. Die Bibliotheksaufsicht, die letztes Semester noch mit mir studiert hat, kommt vorbei und fragt, ob er ein Stück abhaben kann. Der ist schon fertig?, wundere ich mich.

Der hat doch die ganze Zeit nur gekifft

„Glückwunsch zum Abschluss, Jan“, gratuliere ich.

„Danke“, sagt Jan. „Nur 20 Semester über der Regelstudienzeit.“

Ich strecke beeindruckt meinen Daumen nach oben. Das kann ich auch noch schaffen!

Ich lese einen Aufsatz und frage mich, wie eine Person so viele kluge Gedanken haben kann. Das ist zu viel Intelligenz, da muss ich mich erstmal hinlegen. Also Zwanzig-Minuten-Powernapping mit dem Kopf auf dem Tisch. Das funktioniert immer prima.

Sieben Stunden später weckt mich Jan, weil die Bibliothek zu macht. Ich gehe nach Hause und bin eigentlich relativ zufrieden mit mir, weil ich jetzt einen Aufsatz mehr gelesen habe als am Morgen.

Aber zurück zu Kathis gestähltem Körper

Ich bin mit meinem angefutterten Fettpolster evolutionsbiologisch ja klar im Vorteil. Wenn mal wieder eine Hungersnot ansteht, weil wir vergessen haben, dass ein langes Wochenende bevorsteht zum Beispiel. Klar sind Kathis Muskeln am Samstag Abend nützlich, wenn wir uns im Rewe um 21:59 mit Tine und Jule von nebenan um die letzte Avocado prügeln müssen. Aber viel häufiger kommt es vor, dass wir am Feiertag gegen die Automatiktür laufen, weil sie sich frecherweise nicht öffnet, dann die Hände ans Schaufenster legen, um reinzulunzen, uns wundern, warum alles dunkel ist, schon von Geiselnahme oder Todesfall ausgehen, bis uns dann allmählich dämmert, wo das Problem liegt.

Schon wieder Fronleichnam?, frage ich mich. Oder ist es doch Christi Himmelfahrt? Oder dieser komische Reformationstag, wie manch Ungebildeter Halloween heutzutage nennt?

Jedenfalls kann ich nun die nächsten Tage von meinem Fettpolster zehren, während ich die WG nach vergessenen Müsliriegeln und Bananenchips absuche, die keine Bananenchips sind, sondern nur die Enden, die mir beim Schnippeln immer unter den Herd fallen und dort einen knusprigen Mantel abkriegen.

Kathis kalorienentbehrender Körper hingegen macht schnell schlapp, sodass sie sich am Dienstag Morgen, wenn der Rewe nach 57 langen Stunden endlich wieder öffnet, kaum dorthin schleppen kann. Und wenn es hart auf hart kommt und der Dienstag auch noch Feiertag ist, beginne ich schon allmählich, Charlotte unterschwellig davon zu überzeugen, dass Muskelfleisch viel besser schmeckt als Fett. Im Gegensatz zu Kathi mache ich mir über solche Dinge schließlich Gedanken.

 

 

Bild: pexels

Über den Autor/die Autorin

Mairce H. Asé

Mairce H. Asé lebt in Mainz, wo sie dem glamourösen Leben einer studierten Vollzeitgeisteswissenschaftlerin frönt. Manchmal verläuft sie sich in den zweiunddreißig Zimmern ihrer Villa und muss von ihrem Wollschwein Bert gerettet werden. Wenn sie den wichtigsten Menschen in ihrem Leben, den Laptop, gerade findet, verfasst sie darauf Texte für andere Vollzeitgeisteswissenschaftler.

2 Kommentare

  • Charlotte wurde also einfach akzeptiert? Wieder super lustig, immer mehr, mach am besten nichts anderes, nur schreiben bitte 😀

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