Studentenleben

Selbstverteidigungskurs

Selbstverteidigungkurs - yoga zum aufwärmen
Geschrieben von Ahrina Timido

Ich sitze in der Damen-Umkleidekabine der Turnhalle und beobachte das aufgeregte Treiben um mich herum. In wenigen Minuten würde er beginnen, der Selbstverteidigungskurs für Frauen. Ein Crashkurs sollte es werden, Schwerpunkte des Kurses: Sicheres Auftreten und klare Grenzen setzen. Kein Wort von Schlagen und Treten.

Die Aufregung steigt

Ich war rechtzeitig da, bin schon fertig mit Umziehen. Bequeme Kleidung und Turnschuhe hieß es in der Ausschreibung. Hab ich, im Gegensatz zu einigen anderen Mädels neben mir. Sexy figurbetont oder knapp würde da als Adjektiv besser passen, bequem eher nicht. Mir soll es egal sein.

Je näher der Kursbeginn rückt, desto aufgeregter das Geschnatter um mich herum. Ich stelle zufrieden fest, dass ich deutlich relaxter bin als der restliche Haufen, ich schätze mich auch deutlich realistischer ein. Komische Vorstellungen haben die teilweise drauf.

„Wir lernen, einem Angreifer richtig in die Eier zu treten.“ – Eher nicht, habt ihr die Ausschreibung nicht gelesen?

„Wir können uns nach dem Selbstverteidigungskurs problemlos gegen körperlich überlegene Angreifer wehren.“ – Mann, bleibt doch mal am Teppich, Mädels.

„Wir haben für unseren Kurs den hübscheren der beiden Trainer erwischt.“ – Das stimmt, ohne Zweifel. Daher also die knapp bemessenen Outfits einiger Kursteilnehmerinnen.

Die Theorie – Naja, muss eben auch sein

Der Kurs beginnt. Wir stellen uns im Kreis auf, am Boden liegen graue Matten. Es geht unspektakulär los, Theorie, Konflikte vermeiden, Deeskalation,… . Dann der Einstieg in die Praxis. Die erste Übung, wir gehen durch die Halle, unsicher, alle schauen verlegen auf den Boden, schielen von Zeit zu Zeit verstohlen nach dem süßen Trainer, hie und da hört man leises Getuschel und nervöses Gekicher.  Keine weiß so recht, was auf sie zukommen wird. Der Trainer rennt immer wieder zwischen uns herum und verunsichert die Gruppe noch mehr. Keine Erklärung, keine Ahnung, worauf der hinaus will. Stopp, alle zurück in den Kreis.

Zweite Runde. Wir gehen wieder durch die Halle, aufrecht, selbstsicher und schauen jede an, die uns begegnet. Der Trainer läuft herum, das ist seine Aufgabe bei dieser Übung, wir brauchen uns nicht um ihn zu kümmern, so hat er es uns erklärt. Das bekommen jetzt alle ganz gut hin. Wieder Aufstellen im Kreis, Auswertung, Körpersprache, Opferhaltung, sicheres Auftreten und so weiter. Erste Enttäuschung macht sich breit. So hatten sie sich einen Selbstverteidigungskurs nicht vorgestellt.  Schon eine Stunde da und immer noch nichts gelernt, noch immer in keine Eier getreten. Mädels, checkt ihr es nicht?

Die Praxis – mit mir als Versuchskaninchen

Okay, ich gebe zu, auch ich habe mich auf diesen Teil gefreut. Wir stellen uns wieder auf der Matte auf, in einer Reihe, immer zwei zusammen. Es würde eine Partnerübung werden. Aufgabe: Wie kann ich mich befreien, wenn mir jemand unangenehm nahe kommt? Der Trainer erklärt kurz und bittet mich in die Mitte, *grins*, ich sollte als „Versuchskaninchen“ dienen, wie er es nennt.

Er zeigt mir, wie ich ihn festhalten soll. Wie angewiesen stelle mich dicht neben ihn, lege meinen Arm um ihn und greife mit der anderen Hand sein Handgelenk. Ich sehe die neidischen Blicke der anderen Mädels in ihren sexy Outfits. Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, stehen wir da, Körper an Körper. Fühlt sich gut an. Der Trainer erläutert verschiedene Möglichkeiten, die er gleich vormachen wird, damit die Teilnehmerinnen sie miteinander üben können. Von mir aus kann der ewig weiterreden, ich bleibe jetzt einfach so stehen, halte sein Handgelenk und freue mich insgeheim über den Neid der anderen Mädels.

Und dann geht alles ganz schnell

Es geht los, er macht vor, der Rest soll nur zusehen. Üben können wir gleich danach. Ich soll ihn richtig festhalten. „Erste Möglichkeit, alle zusehen, alles klar.“ „Zweite Möglichkeit, alle zusehen, alles klar.“ Geht ganz schön zackig plötzlich. „Dritte Möglichkeit, alle zusehen, die übt ihr bitte nur ganz langsam und nur, wenn sich euer Partner das traut.“

Und schon liege ich am Rücken auf der Matte. Schneller als alle begreifen, was hier gerade passiert, liegt der Trainer halb neben, halb auf mir auf der Matte. Ich kann mich nicht mehr verteidigen. Nicht, dass ich es vorgehabt hätte, aber selbst wenn ich wollte, ich könnte nicht. Ich liege wie festgetackert auf dem Rücken. Und dann küsst er mich mitten auf den Mund. Er küsst gut, leidenschaftlich, und ich küsse ihn zurück. Eigentlich sollte ich jetzt die Augen schließen und genießen. Aber zu sehr interessiert mich die Reaktion der anderen Mädels. Aus den Augenwinkeln sehe ich Gesichter, in denen sich unverhohlener Neid wiederspiegelt. In anderen Gesichtern sehe ich blankes Entsetzen oder süffisantes Grinsen. Das hatte sich keine von einem Selbstverteidigungskurs erwartet.

Der Trainer hört auf mich zu küssen, steht auf und hilft mir lächelnd auf die Beine. Er zwinkert mir zu und fordert die Gruppe auf: „Also Mädels, los geht’s. Genau so nachmachen. Nur das mit dem Küssen lasst ihr bitte weg.“

Wie schon die letzten beiden Male machte mir dieser Teil vom Selbstverteidigungskurs am meisten Spaß. Oft wird das wohl leider nicht mehr funktionieren, bis sich herumgesprochen hat, dass der süße Trainer mein Freund ist.

Also Mädels, schön üben und Finger weg von meinem Schatz. Sonst werde ich euch richtig in die Eier treten. Das ist schließlich nicht mein erster Selbstverteidigungskurs 😉

 

Über den Autor/die Autorin

Ahrina Timido

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