Studentenbeiträge

Verdammt, du Arschloch, ich steh auf dich!

Frau mit zwei hochgestreckten Mittelfingern und einem Herz in der Mitte zum Thema Arschloch ich steh auf dich!
Geschrieben von Svenja

Du fragst dich, wie das sein kann? Wenn ich doch weiß, dass er ein Arschloch ist, warum ich dann auf ihn stehe? Das Ganze ist dir unbegreiflich? – Dann ist es wohl besser, wenn du hier nicht weiterliest. Es besteht wohl kaum eine Chance, dass du meinem verwirrten Hirn, geschweige denn meinem verwirrten Herzen, irgendwie folgen und meine Gedanken ansatzweise nachvollziehen kannst.

Kommt dir dieser Satz hingegen irgendwie bekannt vor? Dann kannst du gerne weiterlesen, vielleicht kannst du meinen hilflosen Gedankensprüngen etwas abgewinnen. Vielleicht reifen neue Denkanstöße in dir. Vielleicht hast du bessere Ideen für mich.

Normalerweise habe ich, wenn ich anfange zu schreiben, einen gewissen Plan im Kopf. Ich weiß, wie die Geschichte beginnen soll und vor allem steht der Schluss, der Ausgang der Geschichte fest. Die Handlung dazwischen ist mir in groben Zügen klar, einiges entwickelt sich noch während des Schreibens. Aber das sind Geschichten, die sich mein Kopf ersinnt, die meiner (mitunter schrägen) Fantasie entspringen. Die mich aber emotional nicht betreffen.

Heute steht alles Kopf. Kein Plan, keine Struktur und schon gar kein gut überlegter Schluss. Ich weiß gar nichts.

Außer: „Verdammt, du Arschloch, ich steh auf dich!“

Und dass ich das irgendwie aufschreiben, mir von der Seele schreiben muss, weil es mich sonst zerreißt. Da geht es schon los mit den unbeantwortbaren Fragen: Zerreißt es mir den Kopf oder das Herz, wenn ich nicht weiß, wohin mit diesem hämmernden: „Ich will dich trotzdem!“

Ich weiß gar nichts

Nein, es stimmt nicht, dass ich gar nichts weiß. Dafür kenne ich dich schon viel zu lange und viel zu gut. Ich weiß, dass ich keine Beziehung mit dir möchte. Ganz sicher, so selbstzerstörerisch bin ich nicht veranlagt. Ich weiß, dass du niemandem treu bist außer dir selber. Ich weiß, dass du nicht nur gerne mit Frauen spielst, sondern durchaus skrupellos auch mit deren Gefühlen. Ich weiß um deine Vorliebe für Machtspielchen und Manipulation. Ich weiß, dass der Sex mit dir absolut geil ist, und dass unsere schmutzigen Fantasien perfekt zueinander passen. Ich weiß, dass du auch auf mich stehst. Und ich weiß, dass du bei Weitem nicht nur auf mich stehst.

Eine hat dir mal gesagt, du hättest eine „natürliche Dominanz“. Stimmt. Das polarisiert, manche finden dein selbstsicheres Auftreten unmöglich, andere macht es an. Das macht es dir leicht auf deinen „Beutezügen“. Als Partner wärst du mir zu egoistisch, zu egozentrisch. Aber „nur so“ falle ich jedes Mal wieder (gerne) darauf herein, bin dir verfallen.

Verdammt!

Das Spiel mit der Manipulation beherrschst du sehr gut. Du manipulierst auch mich, ich weiß. Was ich nicht verstehe ist, dass ich mich darüber keineswegs aufrege. Ich nehme es zur Kenntnis, weiß, dass es so ist und es ist mir egal. Ich spiele dein Spiel mit, versuche manchmal dagegenzuhalten und dich so oft es geht rechtzeitig zu durchschauen. Das einzige, was mich nervt ist, wenn ich es erst hinterher merke, dass ich auf deine Spielchen hereingefallen bin. Dann ärgere ich mich über mich selbst, über meine Unachtsamkeit. Total bescheuert, oder?

Du erzählst mir manchmal von deinen Eroberungen, ich frage danach. Ich bin nicht eifersüchtig, erhebe keine Treueansprüche. Du verstehst nie, warum ich das wissen will. Für mich ist das logisch. Was ich weiß, darüber muss ich nicht mehr nachdenken, nicht mehr grübeln. Die Fantasie ist oft schlimmer als die Realität. Darum möchte ich die Realität wissen. Die anderen Frauen nehmen mir nichts, sie stehen neben mir, nicht anstatt mir. Ich habe mit dir alles, was ich möchte, mehr will ich gar nicht. (Außer du versetzt mich, weil du bei einer anderen bist, Arschloch!) Ich suche die Bestätigung immer wieder, dass du das Arschloch bist, für das ich dich halte. Und immer wieder bestätigst du mich in meiner Einschätzung. Das erstickt jedes eventuell aufkommende Verliebtheitsgefühl, jeden vorsichtigen Gedanken an Mehr im Keim.

Du Arschloch!

Arschlöcher sind oft gut im Bett, du auch, aber ich kann und will mich in keines so verlieben, das eine Beziehung vorstellbar wäre. Bleibt die Frage, warum ich dich mag. Ich mag dich richtig ehrlich, du Arschloch. Das gibt doch überhaupt keinen Sinn! Wir reden viel miteinander, über Vieles auch sehr ehrlich. Dir kann ich all das erzählen, was jenseits der gängigen Moralvorstellung liegt. In jeder Hinsicht. Wir haben Spaß miteinander, nicht nur sexuell. Meistens weiß ich, dass wir neben allem was den sexuellen Reiz ausmacht, gute Freunde sind. Manchmal zweifle ich daran. Ich sage dir auch, wenn ich dich gerade wieder für ein echtes Arschloch halte. Warum darf ich das? Warum warst du zum Beispiel heute nicht beleidigt, als ich dir sagte, dass du ein nazistisches Arschloch bist? Fasst du das als Kompliment auf?

Was wirklich weh tut sind diese Wahrheitsfetzen, hingeworfene einzelne Puzzleteile, die sich meine Fantasie zu einem Bild zusammenfügt. Zu einem monströsen, bösartigen Gesamtbild.

Oft dauert es Wochen, Monate, bis du scheibchenweise immer weiter mit der Wahrheit herausrückst. Und dann füge ich die Puzzleteile in meinem Hirn zusammen. Ich vergesse nichts, kein Puzzleteil geht verloren. Bis endlich das für mich vollständige Bild entsteht, das ich beruhigt loslassen kann. Dabei frage ich mich oft, warum du mich, warum ich mich so quäle. Warum sagst du mir nicht einfach gleich die Wahrheit? Damit könnte ich umgehen. Ich weiß eh, dass du deine Kollegin vögelst. Dann gibt es doch gleich zu. Und warum ist es mir nicht einfach egal. Warum interessiert es mich überhaupt, wann und mit wem wie oft? Ich weiß, dass dieses Puzzle Teil deines Spieles ist, deines Spiels mit mir. Und trotzdem kann ich mich nicht dagegen wehren, immer wieder darauf hereinzufallen. Wie ein dämlicher Hund, der zum 1000. Mal dem selben dämlichen Stöckchen hinterherrennt.

Ich steh auf dich!

Ich glaube, dass ich eine sehr großzügige Definition von Arschloch habe. One-Night-Stands oder Affären zählen da erst mal gar nicht dazu. Da ich selber die Treue nicht unbedingt erfunden habe, kreide ich dir auch das bestimmt nicht an. Das Arschloch beginnt aber spätestens, wenn du mit den Gefühlen einer Frau spielst. Warum musst du ausgerechnet die vögeln, die aussichtslos in dich verliebt ist? Gibt dir das den besonderen Kick? Ich weiß, du spielst gern. Aber mit Verliebtheit, also mit Gefühlen anderer zu spielen, das ist Arschloch in Reinkultur. Und obwohl ich mich furchtbar darüber aufregen kann, denke ich mir im selben Atemzug: „Mich kannst du ruhig vögeln, ich bin ja nicht verliebt in dich.“

Meistens kann ich mit meinen Widersprüchen ganz gut leben. Ich weiß, du kannst ein Arschloch sein, und trotzdem stehe ich auf dich. Nur manchmal komme ich nicht klar damit, eines deiner Spielzeuge zu sein. Komme nicht klar mit meiner Moralvorstellung und meiner Lust auf dich, mit meinem Stolz und meinem eigenen Spieltrieb,  mit dir und mir…

Über den Autor/die Autorin

Svenja

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