Studentenleben

Lerntypen – Wer lernt wie am besten?

Lerntypen - Studentin auf dem Bett mit fliegenden Büchern
Geschrieben von Redaktion

Die meisten von uns halten sich, wenigstens zur Prüfungszeit, für einigermaßen fleißig und bemüht, sich gut auf die Prüfungen vorzubereiten. Und jeder von uns kennt doch bestimmt irgendwelche Typen, die scheinbar nie etwas lernen, die immer irgendwie neben der Spur zu sein scheinen. Und trotzdem kommen die irgendwie erfolgreich durchs Studium. Da gibt es jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder es sind die totalen Überflieger, lernen tatsächlich nichts und können es trotzdem, oder sie lernen einfach komplett anders als wir selbst. Es sind andere Lerntypen. Vielleicht lernen sie sogar mehr als wir, aber wenn sie dabei stundenlang im Wald herumlaufen, scheinbar nebenbei Audiodateien mit dem Lernstoff abspielen lassen, oder seitenweise Pfeile, Ausrufezeichen und Sprechblasen, garniert mir Blümchen, Herzchen oder Blitzen, auf Papier kritzeln, dann erkennen wir das vielleicht gar nicht als konzentriertes Lernen.

Es ist nicht immer alles so, wie es scheint

Ich selber gehöre zu den „Kritzlern“. Schon in der Schule hatten immer wieder Lehrer ein Problem mit meiner Kritzelei. Sie vertraten die Meinung, ein Schüler, der Blümchen und Wolken malt, könne nicht zuhören. Dabei ist es bei mir genau anders herum. Wenn meine Finger beschäftigt sind, haben Ohren und Hirn Zeit zum Zuhören. Sie meinten, wer Pfeile, Zacken und Klammern, alles noch dazu in verschiedenen Farben auf seine Arbeitsblätter und Hefte schmiert, würde am Ende vor lauter Gekrakel gar nichts mehr verstehen. So fing ich schon früh an, meine Arbeitsblätter und Hefteinträge zu kopieren, wenn ich sie lernen musste. Ein „schönes“, unversehrtes Exemplar für die Schule und eines nur für mich zum Bekritzeln.

Verschiedene Theorien, eine Grundaussage

Dabei ist das doch eigentlich gar nicht so schwer zu begreifen.  Es gibt verschiedene Lerntypen und jeder verarbeitet Informationen über andere Kanäle. Und es wundert mich immer noch, dass sich diese grundsätzliche Erkenntnis offenbar noch nicht bis zu allen unseren Lehrkräften durchgesprochen hat.

Unterschiedliche Berufsgruppen vom Statistiker bis zum Psychologen beschäftigten sich mit den verschiedenen Lerntypen und den daraus resultierenden unterschiedlichen Arten des Lernens. Sie alle verfassten ihre eigenen Theorien darüber. Jede dieser Theorien hat ihre Schwachstellen und jeder Theorie wird angekreidet ein sehr komplexes Thema zu banal, zu undifferenziert zu betrachten. Trotzdem sind sich alle Verfasser darüber einig, dass es verschiedene Modelle des Lernens gibt, die bei individuellen Menschen unterschiedlich effektiv sind. Einige dieser Theorien stellen wir euch im Folgenden kurz vor.

Die Lerntypen nach Frederic Vester

Im Jahre 1975 veröffentlichte Vester seine Theorie, dass die Menschen über unterschiedliche Kanäle lernen. Welcher der effektivste Kanal für die jeweilige Person ist, wird bereits in den ersten Lebensmonaten ausgeprägt. Vester teilt die verschiedenen Lerntypen und deren Kombinationen in vier Gruppen ein:

„Kritzler“ wie ich heißen im Fachjargon visuelle Lerntypen. Der visuelle Typ lernt mit den Augen. Er nimmt Inhalte beim Lesen auf und speichert Bilder und Grafiken ab. Skripten, Power Point Präsentationen oder Dokumentenkameras im Hörsaal sind für visuelle Typen eine große Hilfestellung.

Auditive Typen lernen über das Hören. Sie werden oft als fauler eingeschätzt als andere Typen, denn man sieht sie kaum lernen. Wer beim Pendeln im Zug mit Knopf im Ohr sitzt, hört Musik. Ist doch klar. Vielleicht aber auch nicht. Auditive Typen lernen beispielsweise über Audiodateien, Podcasts oder Lern-CDs. Außerdem können auditive Typen Gesprächen gut folgen und nehmen bereits in der Vorlesung viel vom Stoff auf.

Wer beim Lernen herumläuft, wer am schnellsten lernt, wenn er ein Modell zum Anfassen hat und auf „Lerning by doing“ steht, der kann sich zu den haptischen Typen zählen. Haptische Typen lernen durch das Ausprobieren des Lernstoffes und möchten in den Lernprozess aktiv eingebunden werden, sie können sehr selbständig arbeiten. Mediales Lernen fällt haptischen Typen oft schwer.

Der intellektuelle Lerntyp wird auch abstrakt-verbaler Lerntyp genannt. Durch Nachdenken und kritische Auseinandersetzung mit dem Thema speichert er Informationen ab.

Aufgrund ihrer Oberflächlichkeit und Inkonsistenz wird Vesters Theorie von der Lernpsychologie nicht ernst genommen. Besonders der letzte Punkt ruft die Kritiker auf den Plan, da er drei der Lerntypen über Wahrnehmungskanäle charakterisiert, während sich der vierte auf den Verstehensprozess bezieht. Trotzdem ist Vesters Theorie weit verbreitet, zahlreiche pädagogische Konzepte stützen sich auf seine grundsätzlichen Ausführungen.

Josef Schrader erforschte die Lerntypen bei Erwachsenen.

Schrader fertigte eine empirische Analyse zum Lernen und Lehren in der beruflichen Weiterbildung. Dabei ermittelte er fünf Lerntypen:

Der Theoretiker lernt gern und problemlos. Er weiß, was er lernen will und warum. Er interessiert sich sowohl für praktische Anwendungsbeispiele als auch für theoretische Hintergründe. Sein Augenmerk richtet er darauf, Gesamtzusammenhänge zu verstehen. Gerne verzichtet er darauf, sich Daten und Fakten einzuprägen.

Der Anwendungsorientierte lernt gerne, wenn er das erworbene Wissen anschließend praktisch umsetzen kann. Er lernt, was ihm nützt.  Es fällt ihm schwer, reine Theorien zu pauken, je anschaulicher und konkreter, desto ausdauernder und effektiver lernt der Anwendungsorientierte.

Der Musterschüler ist ehrgeizig, fleißig und strebsam. Er beherrscht das Auswendiglernen und die Reproduktion von Fakten und Daten. Der Musterschüler lernt um der guten Noten Willen. Anwendbarkeit in der Praxis und die Frage nach dem späteren Nutzen ordnet er dem Erreichen einer guten Note unter.

Der Gleichgültige lernt nur das, was er unbedingt für sein berufliches Fortkommen braucht. Es reicht ihm, geforderte Zertifikate und Fortbildungen vorweisen zu können und dabei nicht negativ aufzufallen. Der Ehrgeiz, eine gute Note zu erzielen, liegt ihm fern.

Angst und Nervosität begleiten den Unsicheren stets, wenn er etwas lernen muss. Der Unsichere bildet sich meist nur auf Druck von außen fort, selten aus eigenem Antrieb. Aus Furcht, etwas nicht zu verstehen oder Fehler zu machen, beschränkt er sich dann darauf, sich möglichst unauffällig zu verhalten und sich dabei möglichst viel einzuprägen.

Das IFLW (Institut für integrative Lerntherapie und Weiterbildung) unterscheidet sechs Lerntypen 

Der visuelle Typ deckt sich mit der Beschreibung aus Vesters Theorie. Aber dazu mehr in einem eigenen Artikel.  Hier lest ihr auch, welche Lernmethoden besonders für visuelle Typen geeignet sind.

Motorische Typen werden bei Vester haptische Typen genannt. Weitere Kennzeichen und effektive Lernmethoden für motorische Typen findet ihr hier.

Auch Auditive Lerntypen werden schon bei Vester beschrieben. Weitere Infos zu geeigneten Lernmethoden für auditive Typen findet ihr hier.

Der Kommunikative Typ sucht den Austausch mit anderen. Schweigsam in der Bib zu lernen ist ihm ein Graus, Lerngruppen sind sein Metier, in dem er sich Wissen am schnellsten und effektivsten aneignet. Wo und mit welchen Methoden der kommunikative Typ lernen sollte, lest ihr hier.

Besonders im schulischen Kontext können personenorientierte Lerntypen auf große Probleme stoßen. Sie können nur effektiv lernen, wenn ihnen die Lehrperson sympathisch ist, was definitiv nicht bei jedem Lehrer/Dozenten der Fall ist. Im universitären Kontext haben es personenorientierte Typen leichter, da die Stundenpläne individueller gestaltet und Vorlesungen bzw. die dazugehörenden Dozenten freier gewählt werden können. Wo es personenorientierte Typen leicht haben, und worauf sie beim Lernen achten sollen, lest ihr hier.

Neben all diesen „traditionellen“ Lerntypen etablierte sich der medienorientierte Lerntyp. Er sitzt stundenlang am PC, nutzt diesen aber im Gegensatz zu vielen seiner Kommilitonen tatsächlich zum Lernen. Für medienorientierte Lerntypen  macht es keinen Unterschied, ob ihnen ein realer oder ein virtueller Dozent den Lehrstoff näher bringt. Wie medienorientierte Typen am besten lernen, lest ihr hier.

David A. Kolb erforschte die Lernstile

Kolb wählte einen anderen Ansatz. Er erforschte keine Typen sondern unterschiedliche Lernstile. Er geht davon aus, dass jedes Lernen aus vier Lernphasen besteht: Konkrete Erfahrung, reflektierendes Beobachten, abstrakte Begriffsbildung und aktives Experimentieren. Je nachdem, in welchem der Bereiche der jeweilige Lernende seine persönlichen Schwerpunkte setzt, unterscheidet Kolb vier Lernstile. Jeder Lernstil ist geprägt von zwei Lernphasen. Der Lernstil einer Person ist dabei nicht statisch, er kann sich im Lauf der Zeit verändern, Fähigkeiten in einzelnen Bereichen können und sollen aktiv verbessert werden. Je mehr Lernphasen der Lernprozess durchläuft, desto hochwertiger ist er einzustufen.

  • Assimilierer (Denker/in): Sie bevorzugen beim Lernen reflektierendes Beobachten und abstrakte Begriffsbildung
  • Konvergierer (Entscheider/in): Ihr Lernverhalten ist von abstrakter Begriffsbildung und aktivem Experimentieren geprägt
  • Divergierer (Entdecker/in): Konkrete Erfahrung und reflektierendes Beobachten sind ihre Stärken
  • Akkomodierer (Macher/in): Sie lernen am besten durch aktives Experimentieren und konkrete Erfahrung.

Theorie und Praxis

Auch wenn sich die Begrifflichkeiten unterscheiden, irgendwie ähnelt das Ergebnis wieder den vorher genannten Theorien. Als Quintessenz bleibt bei allen: Jeder lernt individuell über unterschiedliche Kanäle. Vermutlich stellt ihr schnell fest, dass ihr irgendwie dazwischen hängt. Zwischen den Theorien und zwischen den einzelnen Typen. Nichts passt so richtig zu euch. Keine Sorge, das ist ganz normal. Die Lerntypen treten selten isoliert auf, Mischformen sind die Regel. Da bleibt nur, für sich selber herauszufinden, welche Methode bei sich am besten funktioniert. Einen bunten Strauß an Möglichkeiten haben wir euch mit unserer kleinen Serie an die Hand gegeben. Viel Erfolg beim Lernen.

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