Warnung: Das hier ist ein depri-Text. Für eventuell spürbare Emo-Vibes wird keine Haftung übernommen. Lesen (wie immer) auf eigene Gefahr. Mitleid erwünscht.
Ich sitze in einem Haufen mir bekannter und vertrauer Gesichter und auch einiger neuer und mir unbekannter Menschen. Drei Jungs feiern ihre WG-Einweihungsparty. Jungs sind sie eigentlich nicht mehr. Diese Typen fallen mit ihren 30 und 30+ schon unter die Kategorie Mann. Ich habe mich spontan dazu entschlossen zu diesem kleinen get-together mitzukommen. Mit Organisation haben es die Herren nicht so und deswegen ist das mit der Einweihungsfeier auch mehr ein ’sag’s-weiter‘-Stille-Post Ding geworden. Funktioniert aber irgendwie und ständig kommen noch mehr und wieder andere Leute zur Wohnungstür hereingeschneit. Die Nachbarn werden sich sicher freuen.
Ich sitze also da, inmitten meiner Freunde und Bekannten, in lustigen Runden, mit einer Frisur über die ich absolut unglücklich bin und mit einem Bier, das alles ein bisschen besser macht und bin…traurig. Wieso? Warum? Weshalb? Ich muss selbst erstmal ergründen, warum genau ich gerade unglücklich/traurig bin. Eigentlich ist doch nämlich alles gut. Es ist Freitagabend, langsam wird es Nacht und ich habe Freunde und Bier und Gespräche, Musik und Gesellschaft. Ich habe Menschen, die mich hier haben wollen und denen etwas an mir liegt. Menschen denen egal ist, ob meine Haare kurz oder lang sind und die meine Gesellschaft schätzen. Ich bin trotzdem traurig. Weil ich ein ganz und gar irrationales Wesen bin.
Ich schaue mich um und sehe Paare
Ich bin kein Paar. Bin kein Teil von einem ‚wir‘, in das ich mich am Sofa zurücklehnen könnte. Ich schaue mich weiter um und sehe Menschen, die zwar noch kein Paar sind, aber sicherlich sehr bald eines werden. Weil sie sich mögen. Weil sie miteinander flirten. Weil sie Dinge tun und sagen, die man nur tut und sagt, wenn man gerne ein Paar wäre. Mit einer sehr konkreten Person. Ich bin keine dieser konkreten Zielpersonen. Ich schaue mich um und stelle fest, dass ich auch umgekehrt keine Zielperson habe. Ich fühle mich schlecht und jetzt weiß ich warum ich traurig bin.
Ich bin alleine
Fiese Selbstzweifel machen sich in mir, neben dem Bier, breit. Warum bin ich denn niemandes Zielperson? Bin ich nicht interessant genug? Nicht witzig genug? Nicht devot genug oder nicht spritzig genug? Bin ich vielleicht nicht hübsch genug? Alles in mir frisst sich am letzten Gedanken fest und plötzlich bin ich wieder dort, wo ich Selbstwert-technisch vor drei Jahren war. Im Keller. Bin ich zu dick? Klar bin ich zu dick! Und mein Gesicht ist zu rund und meine Lippen zu schmal, dafür meine Brüste zu groß und meine Schenkel zu fett! Die Lösung? Ich will auf der Stelle ganz viel comfort food in mich reinstopfen. Na fabelhaft! Herzliche Gratulation liebe Ida, das ist ja ganz fantastisch!
Ich ärgere mich über mich selbst und kann doch nichts daran ändern. An meinem Gefühl der Traurigkeit und des Unglücks. Ich bin einsam und merke das vor allem dann, wenn ich in Gesellschaft bin. In Gesellschaft von glücklichen Paaren und solchen Menschen, die potentiell ein Teil meines Paar-Daseins sein könnten, es aber nicht sind. Ich rieche bestimmt nach Verzweiflung und das ist ziemlich unsexy. „Jetzt sei mal nicht so desperate!“, schreie ich mich innerlich an und will, dass meine düstere Stimmung verfliegt. Erfolglos.
Heute bin ich desperate
So macht Party auch keinen Spaß, wenn ich nicht Spaß habe und deswegen stehe ich auf und verabschiede mich in sämtlichen Räumen von sämtlichen Menschen. In jedem Raum gibt es einen Mann, den ich mir als Zielperson vorstellen könnte, der sich aber nicht für mich zu interessieren scheint. Ich fühle mich elend. „Was? Gehst du schon?“, schallt es mir aus jedem dieser Räume entgegen und ich fasle etwas von einem Ausflug morgen Früh, den ich auch echt nicht erfunden habe. „Och schade!“, heißt es und „Bleib doch noch!“ Aber ich bleibe nicht. Ich gehe. Laufe davon, weil ich weg laufen will. Vor mir davon laufen. In eine interessantere und glücklichere Existenz hinein.
Es ist mittlerweile Samstag und ich bin ein durschnitts-Twentysomething-Mädchen, in einer Uni-Stadt, die nach Bier riecht und mir ist nach heulen zu Mute. Ich bin so viel Klischee, dass es schon fast weh tut. Mir weh tut. Bevor ich aber etwas Dummes und noch mehr Klischeehaftes tun kann, ruft ein Freund nach mir. Wir haben fast den selben Heimweg und er schließt sich mir an. Bringt mich nachhause. Ich bin trotzdem noch alleine und deswegen unglücklich. Warum auch immer. Die Erkenntnis: Alleine ist man weniger zu zweit und gerade finde ich das ganz schön doof. Heute bin ich kein lässiger, lebensfroher, lockerer Single. Heute bin ich desperate. Auch solche Tage gibt es und das dürfen wir uns auch ruhig mal eingestehen. Ich wär jetzt bereit für mein Happy End.
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