Ich bin das letzte Überbleibsel auf der Uni
Die Letzte, die noch lernt und paukt und strebert und hofft, dies mit Erfolg zu tun.
Ich mag meine Uni. Meine Uni ist schön.
Meine Uni ist auch groß und es gibt viele Lernorte und Plätze, an die man sich zum Verzweifeln setzen kann. Das ist gut.
Eigentlich lerne ich aber lieber Zuhause
Das finden viele Studis komisch. Daheim lernen sie gar nicht gut. Sagen sie. Da sind sie so abgelenkt und alles lädt zum Prokrastinieren ein. Ich habe da wohl so etwas wie Selbstdisziplin. In dieser Hinsicht.
Ich lerne mit Anna. Anna wird die kommende Prüfung zum dritten Mal machen. Ja, das ist keine einfache Prüfung. Aber einen kommissionellen Antritt will sie wirklich nicht. Ich verstehe das und nehme mir Zeit, um mit ihr alle Pflicht-Werke durchzugehen. Die Dramen, die Erzähltexte, die Gedichte.
6 Stunden sitzen wir zusammen und sehen die vielen anderen Studierenden gar nicht kommen und gehen. Wir haben nur Augen für Wordsworth, Carter, Mansfield, Arnold und Stoppard.
„Jetzt ist es gleich neun.“, stelle ich fest
Kein Wunder, dass mein Hirn streikt. Es mag nicht mehr. Nichts an mir mag mehr. Anna empfindet das auch so. Außer uns ist niemand mehr auf der Uni. Wir beenden die Lern-Session also. Für heute.
Anna wird von ihrem Freund abgeholt. Er ist groß und tätowiert und Musiker. Er raucht und trägt Sonnenbrille, obwohl es regnet. Anna erklärt mir, dass er ein blaues Auge hat. Schlägerei.
Ein Bad-Boy. Ich nehme Abstand.
Die beiden verschwinden in die Nacht hinaus und ich stehe ein bisschen unschlüssig und verloren in der Gegend herum. Ich habe keinen Schirm dabei und keinen coolen Freund, der seine Jacke auszieht und sie mir auf den Kopf legt und selbst neben mir kurzärmelig herläuft, so wie Anna. Ich bin Single. Sehr.
Wenn ich jetzt heim laufe, wird mir bewusst, wartet keiner auf mich. Keiner, nicht einmal der Hund, weil der heute nicht da ist, wird sich freuen wenn ich heim komme, oder es überhaupt bemerken. Mein Mitbewohner zählt nicht. In diesem Bereich zählt mein Mitbewohner einfach nicht.
Was mache ich also? Ich setzte mich wieder in den Aufenthaltsraum und packe meinen Laptop aus. Ich schreibe diesen Text. Weil ich die letzte auf der Uni bin. Weil ich der letzte Single bin. Zumindest fühlt es sich so an. Ich muss mal damit klar kommen. Eigentlich ist es doch ganz nett hier. Alleine – auf der Uni.
Bild: flickr ©Felix Meyer