Studentenbeiträge

Bananen, Schuhe und der Drittversuch

Bananen mit Text " Drittversuch "
Geschrieben von Bienchen

Vermutlich gibt es in fast jedem Studiengang mindestens ein Fach und somit eine Klausur, in der ordentlich ausgesiebt wird. Diese eine Klausur, von der dir schon als Ersti Horrorgeschichten erzählt werden und die Klausur, die nur die Besten des Jahrgangs überhaupt beim ersten Versuch bestehen. Die Meisten müssen da sogar bis zum Drittversuch ran.

In meinem Studienfach ist dieses Meisterstück der willkürlichen Machtdemonstration das Modul Organische Chemie. Wer sich schon mal mit organischer Chemie auseinandersetzen durfte, weiß, dass dies ein schier endloses Feld voll mit Strukturformeln, Mechanismen und Trivialnamen darstellt. Unter uns Biologen ist organische Chemie total beliebt, denn wir haben Spaß daran mindestens zwei, am besten drei Mal den gleichen Stoff zu lernen, um dann die Klausur jedes Mal jeweils bei einem anderen Dozenten zu schreiben, nur um dann gerade so mit einer 3 zu bestehen.  Aber irgendwie muss die Spreu ja vom Weizen getrennt werden oder anders ausgedrückt: irgendwo müssen die Psychologen ja ihre Patienten mit Angststörung hernehmen.

Die Angst vor dem Drittversuch

Jeder, der schon mal in der Situation war einen Drittversuch antreten zu müssen, weiß, wie sehr mir der Arsch auf Grundeis ging. Der einzige Trost, ich war nicht allein. Auf dem Weg zum Klausursaal sah ich viele bekannte Gesichter. Ängstliche Gesichter von Menschen aus Jahrgängen über mir, nervöse Gesichter von Menschen aus jüngeren Jahrgängen. Solche, die noch nicht wussten, wie schlimm es werden würde. Sie hatten nämlich noch die Jungfräulichkeit des Erstversuchs im Blut.

Als ich den Raum betrat, kam mir eine Wand an Emotionen entgegen. Weltuntergangsstimmung beherrschte die Atmosphäre. Eine Art automatische Gliederung nach Jahrgängen, sowie Studiengängen ging von statten. Zwischen allen Teilnehmern einer Sitzreihe mussten zwei freie Plätze verbleiben und zwischen den Sitzreihen jeweils eine Reihe freigehalten werden. Natürlich wurde man versetzt angeordnet, um ja nicht abgucken zu können. Dies war eh nahezu unmöglich, denn die Studenten eines Studiengangs wurden abermals in drei Gruppen geteilt, von der jede einen anderen Klausurtyp ausgeteilt bekam.

Ich hatte mir schon, bevor ich am Nachmittag das Haus verließ, fest vorgenommen mich nicht von der Nervosität der anderen anstecken zu lassen. Wieso auch, denn ich hatte das komplette Lehrbuch der organischen Chemie, alle Übungen und Vorlesungen sorgfältigst durchgearbeitet. Ich konnte also gar nicht durchfallen…so hoffte ich inständig. Ja, das war einer der wenigen Momente, in denen ich ein Stoßgebet in den Himmel schickte und hoffte Gott hätte meine Bemühungen wahrgenommen.

Nichtsdestotrotz war die Stimmung einfach überwältigend. Es war traurig und amüsant zugleich, wie sich die Studenten in meiner Umgebung auf diese Stresssituation vorbereiteten.

In diesem riesigen Raum voll stickiger, heißer Luft, durchsetzt mit dem schweißigen Geruch von Angst tummelten sich inzwischen über 100 Studenten. Der Lärmpegel nahm spürbar zu, während sich alle in letzter Sekunde gegenseitig Trivialnamen abfragten und so dafür sorgten, dass man immer mehr Ahnung von Nichts hatte.

Vorbereitungsmaßnahmen für den Drittversuch

Neben ganz normalen Vorbereitungsmaßnahmen, wie einer Wasserflasche, einem Müsliriegel und Stiften in unterschiedlichen Farben, konnte ich auch interessante Abweichungen von diesem Standard wahrnehmen.  Einen Block weiter sah ich, wie ein Student völlig überzeugt mit einem Nicken ein Bündel Bananen aus seinem Rucksack nahm. Nur um das zu verdeutlichen: 4 Bananen. Fucking vier gelb leuchtende Bananen. Diese Bananen waren nach der Klausur, die sich nicht, wie man von dieser Menge an Früchten ableiten könnte, über den ganzen Tag hinweg erstreckte, sondern über 120 Minuten, alle samt aufgefuttert.

Ein Student links neben mir tat etwas, dass ich in vier Jahren Studium so noch nicht erlebt hatte und was mich ein wenig verunsicherte, ob ich eventuell nicht zugelassen war. Er machte es sich genüsslich bequem und zog einfach seine Schuhe aus. Ich war gleichermaßen fassungslos wie beeindruckt und neidisch. Seine Füße mussten sich so viel wohler fühlen als meine. Plötzlich waren meine Lieblingsschuhe total unbequem und drückten überall. Ich fühlte mich von meinen Schuhen belästigt. Aber damit war es noch nicht genug.

Er packte eine Art Spray aus und sprühte es sich und seinem Sitznachbarn, der unterdessen auch sockig dasaß, auf die Innenseite des Unterarms. Meine Versuche, etwas von diesem offensichtlichen Superspray zu erschnüffeln, blieben vergebens. Außerdem führten sie unweigerlich dazu, dass ich mich viel zu gelassen fühlte und das führte absurder Weise zu einem aufkeimenden Panikgefühl. Meine Hände wurden kalt und schwitzig und mein Herz schlug mir bis in den Kopf.

Die Atmosphäre, die vorher konzentrationsfördernd aufgeheizt war, schlug in Totenstille um, als der Dozent mit seinen Gehilfen den Raum betrat. Die Klausuren wurden ausgeteilt und ich versuchte in meinen Kopf zu horchen, das Gelernte schon mal ins Gedächtnis zu rufen, aber es herrschte gähnende Leere. Wenn ein Vakuum luftleer ist, war mein Hirn noch leerer. Ein Blackout vom aller Feinsten hatte sich in mein Hirn eingenistet. Was also tun? Schuhe ausziehen, auf ein Wunderspray vertrauen und ein Kilo Bananen futtern war keine Option.

Während der Klausur

Ich versuchte mich irgendwie zu beruhigen, mein gelassenes Ich von vor 5 Minuten wieder zu erlangen. Es gelang mir, in dem ich meine Augen schloss, auf meine Atmung hörte und für kurze Zeit meine Umgebung und die Situation ausblendete. Ich versuchte, an etwas Schönes zu denken und mir selbst immer wieder zu sagen, dass ich das schaffe. Als ich die Augen wieder öffnete, war die Panik verflogen, mein Hirn kein schwarzes Loch mehr und ich war hochkonzentriert, ja fast schon motiviert und erfreut das Gelernte anwenden zu können. Zu beweisen, dass ich es kann.

Die Klausur verging wie im Flug. Das schlimmste Gefühl folgte aber erst noch. Die Wartezeit auf das Ergebnis, das darüber entschied, ob ich in die mündliche Zusatzprüfung musste. Die Zusatzprüfung, welche das Urteil fällen würde, ob die letzten vier Jahre meines Lebens vergebens waren. Allein der Gedanke daran führte zu unerträglichen Magenschmerzen. Umso erleichternder war das Gefühl, als ich die Nachricht bekam, bestanden zu haben.

Tipps für den Drittversuch

Abschließend bleibt nur zu sagen, ein Drittversuch stellt so manchen von uns vor eine große psychische Herausforderung. Egal ob kiloweise Bananen, Wundersprays oder Selbstüberzeugung, ihr wisst was euch souverän durch diese Situation führen wird und euch die nötige Gelassenheit und das nötige Selbstbewusstsein gibt. Also ran an den Speck, die Hasenpfote oder das Glücksschwein und vielleicht helfen euch ein paar von mir gesammelte Ratschläge:

  • Auch wenn man als Student auf sein Kurzzeitgedächtnis vertraut, lasst eure Lernzettel zuhause. Ein letzter Blick 10 Minuten vor der Klausur richtet den Fokus nur auf das, was man nicht kann und so startet man schon verunsichert in die Klausur
  • Ja, als Student lebt man gerne zeiteffizient. Aber nehmt lieber einen Bus früher als am Ende noch zu spät zu kommen. Mal abgesehen von dem peinlichen Auftreten vor 100 anderen Studenten, ist dieser Stress nur kontraproduktiv. Außerdem bleibt so noch genug Zeit für einen entspannten Spaziergang um den Kopf frei zu bekommen. Frische Luft kann wahre Wunder wirken.
  • Lässt du dich gerne von der Unsicherheit anderer anstecken? Dann steck dir die Kopfhörer in die Ohren und lausche den Klängen deines Lieblingslieds. So ersparst du dir nicht nur das unqualifizierte Gefasel deiner Mitstudenten. Sondern du stimulierst andere Hirnzentren, die dich von deiner Aufregung ablenken. Auch Sportler hören vor einem wichtigen Kampf oder Spiel passende Musik, um die Moral zu stärken. Und was könnte einem Boxkampf oder Endspiel situativ näher kommen als ein Drittversuch?!
  • Nahrungsaufnahme ist obligatorisch, aber nicht direkt vor oder während einer Klausur. Arbeitet der Verdauungstrakt, wird man schnell müde und unkonzentriert. Gedankt sei dem Parasympathikus. Bist du jedoch der Meinung, ein Energieboost fürs Hirn müsste sein, dann ran an die Banane und Hände weg vom Traubenzucker. Der wirkt zwar schnell, aber nur sehr kurz und führt danach direkt zu einer Abflachung des Blutzuckerspiegels.
  • Trinken, trinken, trinken ! Eine Klausur ist eine Stresssituation und da kann man nichts weniger gebrauchen als zu niedrigen Blutdruck. Aber Achtung, was oben rein kommt, muss auch wieder raus. Also plane eine stressgeplagte schwache Blase ein und geh vorher noch mal auf Toilette
  • Wo sitzt man am besten ? Ich sitze sehr gerne ganz vorne, denn da bekomme ich nur gedämpft mit, was die anderen Studenten vor Nervosität so treiben. Falls Fragen auftreten sollten, ist der Dozent direkt greifbar. Außerdem ist ganz vorne meistens noch ein zusätzlicher Ausgang, falls man aufs Klo muss und nicht durch den ganzen Hörsaal laufen will.

 

Alles in allem bleibt dann nur noch eines für den Drittversuch zu wünschen: Viel Glück 😊

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Über den Autor/die Autorin

Bienchen

Eine Seele mit Hirn auf der Suche nach dem großen Ganzen und dem Sinn hinter scheinbar unwichtigen Kleinigkeiten.

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