Studentenbeiträge

WG-Geschichten [Teil 3] – Happy Birthday

Geburtstag meiner Mitbewohnerin: Kuchen, Konfetti und Party-Hüte liegen auf einem Tisch verteilt
Geschrieben von Mairce H. Asé

 

 

Charlotte hat Geburtstag. Kathi und ich haben unser Erspartes zusammen geschmissen und ihr einen Bleistift mit einem superlustigen und total originellen Spruch drauf geschenkt. „Ordnung braucht nur der Dumme, das Genie beherrscht das Chaos“.

Wir beherrschen unser Chaos nicht

Aber wir dekorieren es schön, weil Charlotte eine Party schmeißen will. Als ich mich in unserer Küche umsehe, kommen mir allmählich Zweifel, ob 130 geladene Gäste da rein passen.

„Ach, es kommt doch eh höchstens die Hälfte“, beruhigt mich Charlotte.

„Oh gut. Wie viele Stühle haben wir?“

„Zwei“, sagt Kathi. „Aber ich hab einen Campingstuhl mit Getränkehalter und irgendwo steht noch eine Holzkiste.“

Ich nicke. „Läuft“, signalisiere ich meine Zufriedenheit und meine Jugendlichkeit in einem geschmeidigen Wort.

Mit zwölf Kisten Bier stehen wir etwas ratlos vor unserem Kühlschrank. Es passen nur einundzwanzig Flaschen rein.

„Vielleicht wenn wir die Butter rausnehmen“, schlägt Kathi vor.

Die viertel Packung Butter ist das einzige, was überhaupt drin ist.

Ich nehme sie raus und jetzt passen einundzwanzigeinhalb Bierflaschen rein.

„Wen hast du eigentlich alles eingeladen?“, frage ich.

Charlotte zuckt mit den Schultern. „Ach, nur ein paar Kommilitonen und Dozenten, Lokalpolitiker, Johnny Depp und Kalle von Tinder.“

Es kommt bloß Kalle von Tinder

Er ist vierzig Jahre alt, sieht aus wie fünfzig und trägt Vokuhila und einen selbstgestrickten Wollpullover. Ich bin mir nicht sicher, ob er Hipster ist oder ob er den Look ernst meint, aber er könnte ihn wieder modern machen. Kalle ist ganz klar ein Trendsetter. Der Oberbürgermeister kommt zwar nicht, hat aber eine sehr nette standardisierte Ablehnungskarte geschickt, die Charlotte sich einrahmt und über ihrem Bett aufhängt. Wenigstens reichen unsere Sitzgelegenheiten. Dafür müssen wir jetzt drei Kasten Bier pro Person trinken. Wir tun unser Bestes.

Die Konversation läuft trotzdem schleppend, mein Magen knurrt. Charlotte hat nichts zu Essen vorbereitet, weil auf den Einladungen stand, jeder solle einen Salat mitbringen, möglichst vegan, damit alle was davon haben. Kalle hat ein Glas Bockwürstchen mitgebracht, das wir alle hungrig anstarren.

„Ich glaub, im Kühlschrank ist noch Mayo“, sage ich.

Kathi guckt nach. „Verfallsdatum 1998“, informiert sie uns.

WG_Geschichten: Der Geburtstag meiner Mitbewohnerin - Mädchen isst Mayo aus dem Glas

„Der Vormieter hatte da was erwähnt“, erinnert sie sich. Unsere Blicke wandern zwischen den Bockwürstchen und der Mayo von 1998 hin und her. Wir schütteln die Köpfe. Nein, so tief sind wir nicht gesunken. Ich bin fast schon stolz, dass es Mitternacht wird, bis wir nachgeben.

Die Mayo schmeckt so weit in Ordnung. Ich glaube, die Bockwürstchen in Kombination mit dem heroischen Versuch, das jedem zugeteilte Bier auszutrinken, waren das Problem. Kathi, Charlotte und ich hängen ab zwei Uhr abwechselnd auf dem WG-Klo. Nur Kalle geht es gut.

Er nimmt sich noch ein Bier und ein bisschen Mayo mit nach Hause.

Bild: pixababy

Über den Autor/die Autorin

Mairce H. Asé

Mairce H. Asé lebt in Mainz, wo sie dem glamourösen Leben einer studierten Vollzeitgeisteswissenschaftlerin frönt. Manchmal verläuft sie sich in den zweiunddreißig Zimmern ihrer Villa und muss von ihrem Wollschwein Bert gerettet werden. Wenn sie den wichtigsten Menschen in ihrem Leben, den Laptop, gerade findet, verfasst sie darauf Texte für andere Vollzeitgeisteswissenschaftler.

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