Studentenleben

Gehirndoping – Leistungssteigerung um jeden Preis

Mann mit Bart und Leuchtdraht vor dem Gesicht zum Thema Gehirndoping um jeden Preis?
Geschrieben von K B

Prüfungen, Hausarbeiten, Nebenjob. Der Terminkalender vieler Studenten ist brechend voll. Das süße Studentenleben oft nur ein weit entfernter Traum. Viele sind froh, wenn sie überhaupt irgendwie über die Runden kommen, gehen an ihre Grenzen und darüber hinaus. Da ist die Versuchung groß, der eigenen Leistungsfähigkeit ein bisschen auf die Sprünge zu helfen. Gehirndoping erscheint als perfekte Möglichkeit.

Definition Gehirndoping

Gehirndoping kommt ursprünglich aus den USA und wurde in den letzten Jahren auch bei uns immer beliebter. Beim Gehirndoping handelt es sich in der Regel um den Missbrauch verschreibungspflichtiger Medikamente oder illegaler Drogen. Im Prinzip kann jedes Medikament wie beim Doping im Spitzensport missbräuchlich verwendet werden. Und nahezu jedes Medikament hat zahlreiche Nebenwirkungen. Dopingsubstanzen für das Gehirn stammen aus Neurologie und Psychiatrie, wobei Pharmaka gegen Alzheimer, Schlaf-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen verwendet werden. In der Fachsprache wird meist der neutralere Begriff Neuro-Enhancement verwendet. (Stangl, 2019)

Eine Studie zeigte, dass inzwischen 14 Prozent der befragten fast 30.000 Personen entsprechende Medikamente nimmt. Im Jahr 2015 waren es nur 5 Prozent. Besagte Studie untersuchte den Einsatz von Medikamenten wie Ritalin und Adderall (ADHS-Medikamente), von Mitteln wie Modafinil (gegen Schlafstörungen) und von illegalen Stimulantien wie Kokain in 15 europäischen Ländern. Veröffentlicht wurde die Studie im Juni 2018 im International Journal of Drug Policy.

Erhoffter Nutzen

Die Idee, mit synthetischen Substanzen das Gehirn zu dopen, ist nicht neu. Bereits um das Jahr 1900 nutzen Menschen Substanzen wie Kokain, um effektiver zu lernen oder kreative Ideen zu entwickeln.

Waren das damals noch vereinzelte „kreative Köpfe“, so ist die Akzeptanz des Gehirndopings heute in der Mitte der (Leistungs-)Gesellschaft angekommen. Apotheker berichten, dass sogar Eltern nach leistungssteigernden Medikamenten für ihre Kinder fragen, wenn diese vor entscheidenden Prüfungen stünden. Ein Grund für diese Akzeptanz ist die positive und selbstverständliche Darstellung des Gehirndopings im Internet.

Ziel ist das Gehirn zu Höchstleistungen zu treiben, das Schlafbedürfnis zu minimieren und unnatürlich lange Zeitspannen konzentriert und effektiv lernen zu können. Der Leistungsdruck in der Gesellschaft ist groß, Versagen ist nicht vorgesehen. Der Wunsch nach einer einfachen, schnellen Lösung wächst: Eine Pille schlucken, und schon kommt man mit der wachsenden Belastung und dem ständig steigenden Lernpensum leichter zurecht, so erträumen es sich viele.

Häufig verwendete Substanzen

Koffein

Exzessiver Kaffeekonsum oder die Einnahme von Koffeintabletten oder Energy-Drinks ist für viele Studenten schon beinahe eine Selbstverständlichkeit um Müdigkeitsphasen zu überwinden und das Schlafbedürfnis zu minimieren. Grundsätzlich bekannte Risiken für das Herz-Kreislaufsystem werden aufgrund der hohen gesellschaftlichen Akzeptanz des Koffein gerne ignoriert.

Ritalin (Methylphenidat)

Ganz weit vorne dabei auf der Liste der Substanzen ist Ritalin mit dem Wirkstoff Methylphenidat. Eigentlich ist Ritalin zugelassen zur Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS) bei Kindern und Erwachsenen. Es aktiviert den Hirnstoffwechsel, sodass man sich auf das Wesentliche konzentrieren kann. Die Umwelt kann ausgeblendet werden, man lernt fokussierter.

Vigil (Modafinil)

Vigil mit dem Wirkstoff Modafinil wird eigentlich bei seltenen Schlafstörungen wie Narkolepsie eingesetzt, da es hilft, wacher zu sein und weniger Schlaf zu benötigen. Angeblich macht das Medikament Nachtschichten erträglicher bzw. lässt einen auch spät nachts noch wach bleiben um zu lernen.

Antidementiva

Die theoretische Überlegung ist, dass Medikamente, die bei dementen Menschen die Gedächtnisleistung verbessern und deren weiteren Abfall verhindern, dies auch bei gesunden Menschen bewirken. Der tatsächliche Nutzen ist nicht bewiesen. Antidementiva müssen langfristig eingenommen werden, um ihre Wirkung zu entfalten. Die Frage der „Kosten-Nutzen-Abwägung“ müssen sich Konsumenten da besonders dringend stellen.

Betablocker

Betablocker senken Blutdruck und Herzfrequenz. Sie wirken beruhigend und entspannend, indem sie die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin vermindern. So sollen Betablocker Prüfungsängste lindern.

Antidepressiva

Antidepressiva werden wegen ihrer stimmunsaufhellenden und gleichzeitig beruhigenden Wirkung für das Gehirndoping missbraucht.

Illegale Drogen

Neben diesen grundsätzlich legalen Substanzen werden auch illegale Substanzen, die dem Betäubungsmittelgesetz (BtmG) unterliegen, zum Gehirndoping verwendet. Hauptsätzlich sind das Stimulanzien wie Crystal Meth, Ecstasy, Speed oder Koks. Sie erhöhen extrem die Leistung und das Selbstbewusstsein. Zudem unterdrücken sie den Appetit und das Schlafbedürfnis.

Risiken

Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie Medikamente, die für bestimmte medizinische Indikationen zugelassen sind, bei gesunden Menschen wirken. Besonders die Langzeitschäden sind in keinster Weise erforscht. Vermutlich macht keine der Substanzen körperlich abhängig. Die psychische Abhängigkeit lässt sich nicht so deutlich ausschließen. Der Körper lernt schnell, bestimmten Stresssituationen nur durch die Einnahme bestimmter Substanzen gewachsen zu sein.

Alle Medikamente haben Nebenwirkungen. Kopfschmerzen, Übelkeit, Kreislaufprobleme, Appetitlosigkeit und Schwindel gehören zu den „normalen“ Nebenwirkungen der eingesetzten Medikamente.

Besonders die Medikamente, die die Psyche beeinflussen und stimmungsaufhellend wirken, schlagen bei Abklingen der Wirkung ins Gegenteil um. Depressionen, Lethargie, verschiedene Psychosen bis hin zu Selbstmordgedanken können die Folge sein. Durch diese Negativerlebnisse bei nachlassender Wirkung steigt auch die Suchtgefahr.

Durch den massiven Eingriff in das natürliche Schlafbedürfnis können Schlafstörungen, Albträume oder (nächtliche) Angstzustände entstehen. Nicht erholsamer Schlaf behindert die Lerneffizienz. Die Wirkung des Gehirndopings wäre somit ad absurdum geführt.

Alternative Möglichkeiten

Deutlich gesünder und langfristig effektiver ist es, sich ein gutes Zeitmanagement anzueignen. In Prüfungsphasen rechtzeitig mit dem Lernen zu beginnen und regelmäßige Pausenzeiten einzulegen. Die allgemeine Gedächtnisleistung lässt sich auch ohne chemische Unterstützung sehr effektiv verbessern: durch Training. Egal, ob Knobelaufgaben, Sudoku oder dem Auswendiglernen von Gedichten oder Telefonnummern, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Hauptsache, die grauen Zellen bleiben in Schwung.

Grundsätzlich ist es sehr wichtig, auf einen gesunden Schlafrhythmus zu achten. Ausgeschlafen lässt es sich deutlich konzentrierter lernen.

Ausgleich zum Lernen durch Sport ist sehr zu empfehlen. Bei körperlicher Anstrengung wird das Stresshormon Adrenalin abgebaut.

Auch meditative Übungen, Autogenes Training oder Yoga tragen zur Entspannung bei und bilden eine gute Grundlage für gesundes, erfolgreiches Lernen.

Sollten Stress und Druck überhand nehmen und die Situation ausweglos erscheinen lassen, ist es allemal effektiver, sich in der Fachschaft Hilfe zu holen, den Psychologischen Dienst der Hochschule in Anspruch zu nehmen, oder ein offenes Gespräch mit dem Hausarzt zu führen.

Fazit

Hirndoping ist beliebt und wohl die einzige legale Form des Dopings. Wobei sich dennoch die moralische Frage nach der Gerechtigkeit stellt. Sind Nichtdopende Studenten benachteiligt? Wird Doping quasi verpflichtend vorausgesetzt um mit der Spitze mithalten zu können?

Wäre es nicht sinnvoller, die Studienbedingungen und Prüfungsmodalitäten an die Leistungsfähigkeit normaler, ungedopter Hirne anzupassen?

Fragen über Fragen – Wie würdet ihr sie beantworten? Teilt uns eure Meinung zum Thema Gehirndoping in den Kommentaren mit.

 

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