Nirgendwo sonst leben so auffällig viele alte und junge Menschen (relativ reibungslos) zusammen wie in G-Town. Dicht an dicht wohnt man entweder in Studenten- oder Pflegeheimen zusammen, ernährt sich hauptsächlich von Pamukkale Kebab vom Dietrichsteinplatz und knutscht des Nächtens am Schlossberg vor dem Hackher-Löwen bis der Parkwächter kommt (und sie dann eh weiter schmusen lässt). Nach meiner wienerischen und daher irgendwie gar keiner Liebeserklärung an Österreichs Hauptstadt, widme ich mich heute der zweitgrößten Stadt der Alpenrepublik: Graz. Der inoffiziellen Studentenstadt der Ösis.
Grüß mir den Schlossberg
Die Frage: „Wo treff ma uns?“, ist in Graz vollkommen überflüssig. Hier gibt es für alle nur einen offiziellen Treffpunkt: Die Weikhart-Uhr vor dem Juweliergeschäft am Hauptplatz. Sich dort zu verabreden, ist mittlerweile fast so kultig wie die Sandler rund um den Erzherzog-Johann Brunnen vor dem Rathaus oder sich über die beschissene Nightline aufzuregen. Hat man sich dann vor der Uhr gefunden ist die Frage nach dem „Wohin gem ma?“ schon ein bisschen schwieriger zu beantworten, wobei es mit Touristen immer zuerst mal auf den Schlossberg und danach zum Temml auf ein Eis geht. Im Sommer. Bei Schönwetter. Sonst kann man ja noch immer ins Zeughaus gehen und Zeug anschauen.
Schaut man in einen Grazer Stadtplan, ist man zu allererst ein bisschen überfordert wie viele verschiedene Gässchen es hier gibt. Sporgasse, Hofgasse, Färbergasse, Herrengasse, Stempfergasse, Schmiedgasse, … und hinter jedem Winkel in jeder Gasse scheint sich ein lauschiges kleines Beisel, Pub oder Lokal zu finden, in dem man gemütlich einkehren und auf gut österreichisch, vorzugsweise bei Gösser-Bier, versumpern kann. Gemütlich ist generell ein gutes Stichwort. In Graz erkennt man schon an den offiziellen Busfahrzeiten (und ihren tatsächlichen, dafür aber regelmäßig außerplanmäßigen Ankunfts- und Abfahrtszeiten), dass es hier niemand eilig hat und wenn man es eilig hat, hat „ma hoit oanfoch Pech ghobt!“.
Gammeln im Stadtpark
Das grüne Graz, mit dem Jahrzehnte lang schwarzen Bürgermeister, wirbt gerne damit, die grüne Stadt im grünen Herzen Österreichs zu sein, der Steiermark. Das liegt vermutlich an den ganzen Bäumen und Parks wo nicht nur sämtliche Hunde, sondern auch Betrunkene sich gerne erleichtern, aber auch an den wie Schwammerl aus dem Boden und sich stetig zerstreitenden grünen studentischen/politischen Bewegungen der Stadt. Es gibt nicht nur Grüne Studierende in Graz, sondern auch Junge Grüne und GRAS (grüne) und wenn man sie für fünf Minuten in einen ÖH-Raum sperren würde, vermutlich noch zehn ökö-ösi-fair-trade-bio-yolo-basisdemokratische Abspaltungen, die sich über kürzeste Zeit hinweg selbst nach unten marginalisieren würden. Grün hinter den Ohren. Die Grazer.
Wenn man weiß, dass es im überschaubaren Graz insgesamt acht Universitäre- und Hochschuleinrichtungen gibt, überrascht es auch nicht mehr wirklich sehr, warum diese Stadt ein bisschen was vom urban-Hipster-Schick aufweist und Cordhosen tragende RadfahrerInnen-Armeen vollkommen schmerzbefreit zwischen fahrenden Autos, roten Ampeln und Kreisverkehren, die keine sind (danke, Open Space!), herumkurven. Den ‚Graz darf alles‘-Slogan von der letzten Stadtratsgemeindewahl nehmen hier alle wörtlich. Die Stadt gehört den Jungen. Zumindest während den Semestern. In den Ferien nämlich steht das G in G-Town für Ghost.
Graz hat‘s
Durchblick hat in Graz selten wer. Ist ja auch ein Nebelbecken. Aber Fernblick hat man dafür schon. Zumindest beim Kastner. Nirgendwo sonst heißt die Partymeile wohl, wie in Graz, Univiertel. Antschecherter StudentIn sein, ist schick und war es auch schon immer. Aber nicht nur das, sondern auch der Uhrturm und die Cafés sind hier zeitlos. 😉
Wer schon nicht das Glück hatte hier geboren zu werden, ist zumindest willkommen. Von Friendly Aliens (= Grazer Kunsthaus) über Kärntner Bildungs-und Wirtschaftsflüchtlinge, deutschen Nummerusclausus-Medizinern, sowie eigentlichen Refugees ist in der Stadt, die die Mur zweiteilt, für alle Platz.
Passt man nicht auf, werden unabsichtlich Elfriede Otts entführt (= Film, ihr Kulturbanausen, die das nicht wussten) und Arnold Schwarzeneggers gehen an einem vorbei. Aber den mag der gemeine Grazer sowieso nicht so gerne. Is uns‘ wurscht, ob der am Franzsikanerplatz sei Schoko kauft oda net. Den meisten warats‘ liaber er käm net back. Die paar berühmten Söhne und Töchter, die die südliche Bundeshauptstadt vorzuweisen hat, werden mit großer Leidenschaft klein gehalten. Aber wie das halt so ist, mit den Propheten im eigenen Dorf. Und Dorf ist es irgendwie, das Graz. Klein, aber fein und alles zu Fuß erreichbar, wenn man will. Aber wollen tut man meistens nur sei Ruh.
In Graz geht’s nur den Schlossberg bergauf.
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