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Die goldene Regel oder die Antwort auf die Frage: Wem nützt Hilfsbereitschaft?

Männer helfen einer Frau über ein Hindernis zum Thema Hilfsbereitschaft und wem sie nutzt
Geschrieben von Ahrina Timido

Hilfsbereitschaft und Kooperation sind die Zukunft.

Die goldene Regel besagt das wichtigste Grundprinzip menschlichen Zusammenlebens ohne viel Bla Bla in einem einfachen Satz:

„Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“

Oder anders ausgedrückt:

 „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem Andern zu“ (Sprichwort)

„Wie man in den Wald hineinruft, so hallt es zurück“ (Sprichwort)

„Wie du mir, so ich dir“ (Sprichwort)

„Was du selbst nicht wünschst, das tue auch anderen nicht an“ (Konfuzius)

„Man soll niemals einem Anderen antun, was man für das eigene Selbst als verletzend betrachtet. Dies, im Kern, ist die Regel aller Rechtschaffenheit“ (Hinduismus)

„Sohn, was dir übel erscheint, tue deinem Mitmenschen nicht an.
Was immer du willst, dass dir es die Menschen tun, das tue du allen.“ (Altorientalische Weisheit)

„Keiner von euch ist gläubig, solange er nicht für seinen Bruder wünscht, was er für sich selbst wünscht.“ (Islam)

„Was dir verhasst ist, das tue deinem Nächsten nicht. Das ist die ganze Tora, alles andere ist Auslegung. Geh, lerne!“   (Judentum)

„Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ (Christentum)

Die Liste wäre noch um ein Vielfaches erweiterbar, aber ich denke, ihr habt es schon begriffen, worauf ich hinaus will:

Die goldene Regel ist weder eine neue, noch eine typisch deutsche Erfindung.

Und man muss auch nicht lange darüber philosophieren, um feststellen zu können, dass es doch schon mal ein guter Anfang wäre, wenn sich jeder Mensch morgens bei Aufstehen an diese goldene Regel erinnern würde und täglich aufs Neue versuchen würde, danach zu handeln.

Was bedeutet die goldene Regel, auf deinen Studentenalltag übertragen?

Du möchtest, dass deine Kommilitonen deine fachlichen Fragen beantworten, wenn du in der Prüfungsvorbereitung an irgend einer Frage zu verzweifeln drohst.

Du möchtest, dass deine Kommilitonen dir bei organisatorischen Problemen, bei rechtlichen Fragen oder bei komplizierten Formularen und Anträgen weiterhelfen.

Du möchtest, dass dir jemand ohne großen Aufwand oder erwartete Gegenleistung seine Mitschriften zur Verfügung stellt, wenn du mal krank warst.

Das heißt im Umkehrschluss, du bist hilfsbereit, du unterstützt deine Kommilitonen bei der Prüfungsvorbereitung, du stehst mit Rat und Tat zur Seite, wenn jemand dich um Hilfe bittet und du gibst deine Mitschriften raus, wenn andere sie kopieren möchten… Oder doch nicht?

Wenn viele andere die Prüfung verhauen, steigt der Wert meiner Note!

Was geht es mich an, ob die BAföG bekommt, ich musste mit meinen Antrag auch       alleine klarkommen!

Der faule Hund soll sich doch selber in die Vorlesung setzen, statt meine Mitschrift zu kopieren!

Hm, wohl doch gar nicht so einfach mit der goldenen Regel…

Dazu möchte ich euch eine kleine Geschichte erzählen, die sehr viel über den Nutzen von Hilfsbereitschaft aussagt:

Ein amerikanischer Bauer baute auf seinen Feldern große Mengen von bestem Mais an. Jedes Jahr meldete er seinen Mais zum staatlichen Wettbewerb für das beste Saatgut der Umgebung an und jedes Jahr gewann er.

Eines Tages wurde er von einem Reporter interviewt, der hinter das Geheimnis des preisgekrönten Maises kommen wollte. Die Antwort verblüffte den Reporter sehr: Der Bauer berichtete nämlich, dass er sein Saatgut immer an seine Nachbarn weitergab.

„Aber wie kannst du Saatgut an deine Konkurrenten weitergeben?“, fragte der Reporter. „Das ist gar nicht so schwer zu verstehen“, sagte der Bauer. „Der Wind nimmt die Pollen auf und verteilt sie von Feld zu Feld. Wenn meine Nachbarn schlechten Mais anbauen, kommt es zu Kreuzungen, die auch die Qualität meines Maises verschlechtern. Wenn ich guten Mais anbauen will, muss ich meinen Nachbarn helfen.“

(Quelle: Newslichter)

So weit, so gut. Der Bauer hat ja schließlich etwas davon, seinen Nachbarn zu helfen. Seine Ernte war jedes Jahr erfolgreich und preisgekrönt.

Und du? Was hast du von der Hilfsbereitschaft gegenüber deinen Mitstudenten?

Kurzfristig wahrscheinlich wirklich nicht viel. Die „Erträge“ der Hilfsbereitschaft sind schwer messbar. Dennoch gibt es ein paar nachgewiesene Vorteile, von denen hilfsbereite Menschen profitieren, wenn sie einfach nur die goldene Regel befolgen.

Betrachte deine Kommilitonen als „Nachbarn“, nicht als Konkurrenten. Ihr sitzt alle im selben Boot und kämpft mit den selben Widrigkeiten und Problemen. Dein „Saatgut“ ist Wissen.  Deine Ernte lässt sich in folgenden fünf Punkten zusammenfassen:

  1. Wer hilfsbereit ist, dem wird geholfen
  2. Wer hilfsbereit ist baut stabilere soziale Kontakte auf
  3. Wer hilfsbereit ist stärkt seine sozialen Kompetenzen
  4. Wer hilfsbereit ist, ist Vorbild und Vorreiter für andere
  5. Wer hilfsbereit ist, wird selber besser

Wer hilfsbereit ist, dem wird geholfen

Genau diese einfache Tatsache beschreibt die Reziprozitätsregel, das Prinzip der Gegenseitigkeit. Herr Stangl schreibt im Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik: Die Reziprozitätsregel besagt ganz allgemein, dass Menschen, wenn sie etwas erhalten, motiviert sind, dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Ein Beschenkter fühlt sich z.B. aufgefordert bzw. genötigt, ein Gegengeschenk zu erbringen. Sich reziprok zu verhalten bedeutet, auf einen Gefallen hin mit einer Handlung zu reagieren, die den Gefallen danach irgendwie ausgleicht…“ Jeder Student hat seine stärkeren und seine schwächeren Fächer. Wenn du also deinen Kommilitonen in deinen starken Fächern hilfst, kannst du mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass einer der den Durchblick hat, dir dafür in deinen schwächeren Fächern weiterhilft. Wenn nicht, streich ihn als „Kameradensau“ von deiner Liste, es gibt genug andere Kommilitonen, die die goldene Regel begreifen. Das einzig schwierige daran ist, irgend jemand muss den Anfang machen um das System der Reziprozität ins Rollen zu bringen.

Wer hilfsbereit ist, baut stabilere soziale Kontakte auf

Das gemeinsame Meistern von Schwierigkeiten schweißt zusammen. Ein gemeinsam erreichtes Ziel zusammen feiern können verbindet die unterschiedlichsten Charaktere miteinander. Und diese gemeinsamen Erlebnisse bleiben in Erinnerung, oft auch über die Studienzeit hinaus. Das Netzwerk an Kontakten und Freundschaften, das du dir durch deine Hilfsbereitschaft „ganz nebenbei“ aufbaust, kann dir noch in vielen Situationen nützlich sein.

Zum Einen ist die soeben beschriebene Reziprozitätsregel nicht zu unterschätzen. Es gibt Menschen, die sich in irgendeiner Art und Weise dir verpflichtet fühlen.

Zum Anderen weißt du nie, wen es beruflich an welche Stelle verschlägt, und wer vielleicht beim (zukünftigen) Arbeitgeber ein gutes Wort für dich einlegen kann. Auch „Vitamin B“ ist bei Jobsuche und Karriereplänen nicht zu unterschätzen…

Wer hilfsbereit ist stärkt seine sozialen Kompetenzen

Soziale Kompetenzen – ein schöner, häufig verwendeter Ausdruck. In nahezu jeder Stellenausschreibung werden soziale Kompetenzen erwartet. Aber was genau ist das eigentlich? Und woher bekomme ich die?

Um wieder das Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik zu zitieren, sind sozial kompetente Personen in der Lage, zwischenmenschliche Interaktionen zu analysieren und zielorientiert zu agieren, während sie gleichzeitig die Interessen ihrer Interaktionspartner berücksichtigen.  (Quelle: Stangl, W. (2018). Stichwort: ‚soziale Kompetenz‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. http://lexikon.stangl.eu/8857/soziale-kompetenz/ (2018-06-11))

Zu den sozialen Kompetenzen zählen unter anderem die Bereiche Umgang mit sich selbst, Umgang und Zusammenarbeit mit anderen und Führungsqualitäten. In den Vorlesungen wirst du in der Regel auf diese Anforderungen nicht vorbereitet, Persönlichkeitsentwicklung der Sozialkompetenz-Training wird in den wenigsten Studiengängen angeboten. Ob und wie du dir Soziale Kompetenz aneignest, interessiert in der Regel niemanden. Ob du sie dann hast, wenn du ins Berufsleben starten willst, darauf wird dann meist penibel geachtet.

Die Umsetzung der goldenen Regel ist eine effektive Art, deine sozialen Kompetenzen zu trainieren. Hilfsbereitschaft, Selbstreflexion, Teamfähigkeit, Anleitungsaufgaben, Argumentationsfähigkeit, Empathie,… All das trainierst du jedes Mal, wenn du die goldene Regel anwendest und dir Fragen stellst wie: Was würde mir helfen? Was könnte ihm helfen? Wie erkläre ich das am schlüssigsten? Wo genau ist sein Problem?

Wer hilfsbereit ist, ist Vorbild und Vorreiter für andere

Schon mehrfach wurde die Reziprozitätsregel angesprochen. Und auch hier spielt sie wieder eine Rolle. Du hilfst, andere fühlen sich dadurch angehalten, dir oder deinen Freunden zu helfen, die wiederum fühlen sich dann auch jemandem verpflichtet. Und aus diesem anfänglichen Verpflichtungsgefühl entsteht durch Gruppendynamik und Erfolgserlebnisse ein kleines System der Hilfsbereitschaft. Andere profitieren von deiner Hilfsbereitschaft, wenden selber die goldene Regel an und schon ist ein Schneeballsystem losgetreten, von dem alle profitieren. Denn wenn Helfen normal geworden ist, ist es auch nicht mehr schwer, bei Problemen um Hilfe zu bitten. Und schon verbessern sich auch deine Noten in deinen schwächeren Fächern.

Wer hilfsbereit ist, wird selber besser

Zu guter letzt noch ein Grund für Hilfsbereitschaft, der im Noten-bestimmten Studentenalltag vielleicht das greifbarste Argument ist: Wer hilfsbereit ist, wird selber besser. Und zwar besser in zweierlei Hinsicht.

Es gibt dazu zahlreiche wissenschaftliche Studien, und eigentlich ist es ja ganz logisch.

  • Deine Noten werden besser: Durch die Reziprozitätsregel erfährst du in deinen schwächeren Fächern Hilfe von deinen Kommilitonen. Doch auch in deinen starken Fächern gewinnst du dazu, denn als „Lehrer“ musst erstmal den Stoff selber verstehen, und dann so umformulieren, dass er für andere leichter verständlich ist. Dazu brauchst du zum Beispiel Hintergrundwissen und anschauliche Beispiele, du musst Fachtermini in „Alltagssprache“ herunter brechen und bereit sein, auch über vermeintlich blöde Fragen nachzudenken. All das erweitert deinen Horizont und verschafft dir am Ende sogar noch Zugewinn in deinen eigentlich eh schon starken Fächern.
  • Deine Problemlösungsstrategien werden besser: Du hilfst, Probleme zu lösen, die emotional betrachtet nicht die Deinen sind. Das heißt, mit einem gewissen emotionalen Abstand findest du viel leichter Lösungsansätze, als der direkt Betroffene, denn du kannst strategischer, rationaler, effektiver und objektiver Urteilen. Die so entwickelten und erprobten Lösungsstrategien kannst du dann zu gegebener Zeit auf eigene Probleme anwenden.

Fazit zum Thema Hilfsbereitschaft

Das Fazit kurz und knapp:

„Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“

Hilf, wenn jemand Hilfe braucht. Uneigennützig und ohne Berechnung. Denn Helfen zahlt sich aus. Vielleicht nicht sofort, aber langfristig. Mach den ersten Schritt, gib der goldenen Regel eine Chance. Verbessere dein Saatgut „Wissen“ und freue dich über deine Ernte. Vielleich lässt sie etwas auf sich warten, aber sie wird kommen. Ganz bestimmt.

 

Über den Autor/die Autorin

Ahrina Timido