Studentenbeiträge

Die uniformierten Individualisten

Männer gehen auf einen zu, die ziemlich ähnlich gekleidet sind und dabei meinen, sie sind individuell - uniformierte Individualisten.
Geschrieben von Freddy J

Mir platzt der Hals, blutet der Arsch und zerreißt’s schön langsam die nicht vorhandenen Krampfadern. Schon lange will ich über dieses Thema schreiben, eine Schimpftirade loswerden, ein echter Bayer sein und mit gutem Gewissen hier – in der Öffentlichkeit – granteln. Ich will die Leute sensibilisieren, dass sie, sollten sie in meiner Sichtweite sein, besser einen Wechsel der Fußgängerwegseite in Betracht ziehen. Ich kann sie einfach nicht mehr sehen, diese uniformierten Individualisten; hören auch nicht, aber das ist ein anderes Thema.

Jeden Tag an dem es nicht gerade aus Kübeln regnet, sehe ich die gleiche abgefuckte Scheiße: Frauen und Männer zwischen 19,5 und 30 Jahren alt. Männer und teilweise hübsche Frauen, die absolut gleich aussehen. Meist studieren sie und sind folglich nur wenige Monate in meiner geliebten Heimatstadt. Oft sind es aber auch die sogenannten „Locals“. Ach, man kann es gar nicht pauschalisieren – das einzige was sie gemein haben ist, dass sie mir unendlich auf den Sack gehen.

Schon lange tragen sie keine Hornbrillen mehr

Seit neuestem muss es Vintage sein – uniformierte Indiuvidualisten

Es werden Opas Überbleibsl vom zweiten Weltkrieg nach runden, abgrundhässlichen Stahlrahmenbrillen durchsucht. Dass diese Brillengläser bereits so manche antisemitische Taten beobachteten, wird guten Gewissens vergessen: „Hast du schon meine neuen Glasses gesehen, die sind neu, sehen aber total retro aus!“ Genau.

Dann geht es weiter: Es werden T-Shirts getragen, die zwar nicht so alt, aber mindestens genauso abgefuckt sind wie die oben sitzende Brille. Tausende Löcher, der Ausschnitt ist sexy; das wäre er zumindest, wenn er von einer Frau getragen werden würde! Aber nein meine lieben Männer, falls auf eurer zarten Brust, die im Fitnesstudio bisher nur das Solarium gesehen hat, noch kein Haar wächst, keinerlei Muskeln zu erkennen sind und sie von zwei Sphagetti-Ärmchen begrenzt wird, zieht euch einfach ein normales T-Shirt an.

Wollt ihr auf der Black Pearl anwerben – ich glaube nicht

Die Storchenbeine werden dann ganz frech in Chinos geschmissen. Oder in eine Jeans. Oder neuerdings Mischung aus Cargo- und Jogginghosen. Scheißegal, alles gleich schlimm, wenn ihr ständig die Hosenbeine rauf krempelt. Das haben früher Mütter bei ihren Rackern gemacht, wenn denen das gute Kleidungsstück noch nicht so passen wollte. Dann ist der Kleine eben noch zwei Monate als Zniff mit hochgekrempelten Hosen herumgelaufen – egal, bis der Bursche alt genug ist zu verstehen, dass das Scheiße aussieht, passt ihm die Hose und er kann sie wieder herunterkrempeln.

Dieses Stadium habt ihr Nullen scheinbar nie erreicht …

Und warum krempelt ihr die vom Gucci-Gürtel gehaltenen Chinos hoch? Damit wir die stinkenden Bootsschuhe von euch Landeiern betrachten können. Nein danke, wegen eurem egoistischen Sockenhass kann ich bereits 20 Meter gegen den Wind das Alter und die Marke eurer Treter erraten. Aber bitte versteht mich nicht falsch, die neuerdings getragenen Socken in Fußballtrikotgröße machen es auch nicht besser.

Schmeißt die Dinger einfach weg

Aber es würde mich ja alles nicht so stören, würde es nur einen Menschen geben, den ich täglich in dieser Uniform sehen müsste. Nun ist es aber leider so, dass in dieser schönen Universitätsstadt tausende solcher Menschen umherlaufen. Und jeder glaubt, dass er seinen individuellen Kleidungsstil ausleben würde. Dass ihm dieser von Instagram und Kommilitonen vorgelebt wurde, vergisst da so manch einer.

Da lobe ich es mir, wenn ich beizeiten einen Menschen sehe, der sich von diesem „Dazugehörigkeitswahn“ nicht anstecken lässt und seinen eigenen Stil lebt – sei es ein Punker, alteingesessener Hip-Hoper mit tief-sitzenden Baggypants, oder ein Mangafan in peinlichem Teenageroutfit. Aber ja, immerhin verkörpern diese Menschen sich selbst, wissen wer sie sind und schwimmen nicht im Strom der anonymen Masse.

Vor lauter Individualität fällt euch scheinbar gar nicht auf, dass ihr alle gleich seid. Wie sagte schon Dr. Toni: „Isch reg misch gar ned uff!

Über den Autor/die Autorin

Freddy J

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