Studentenbeiträge

Langeweile sinnvoll nutzen und Kreativität steigern

Langeweile nutzten: Frau sitzt in einem Bus, schaut aus dem Fenster und langweilt sich
Geschrieben von Joey

Genervt schaust du auf die Uhr. Du sitzt am Bahnhof und wartest jetzt schon seit über einer halben Stunde auf deinen Anschlusszug. Der Akku von deinem Handy ist leer und du hast natürlich auch nichts zu lesen eingepackt. Langsam aber sicher macht sich etwas breit, das wir im Smartphone-Zeitalter kaum noch zu kennen scheinen: Langeweile.

Auf den ersten Blick können wir der Langeweile nicht viel abgewinnen. Sie ist lästig und lässt ein Unwohlsein in uns entstehen, das wir in den meisten Situationen kaum aushalten. Wir versuchen alles, um die Langeweile zu bekämpfen beziehungsweise sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Schon Nietzsche nannte sie die „unangenehme ‚Windstille‘ der Seele“. Und genau das ist sie: unangenehm. Sie entsteht dann, wenn wir entweder dazu gezwungen sind nichts zu tun oder über einen längeren Zeitraum eine monotone Aufgabe bewältigen müssen. Sie wird immer dann ausgelöst, wenn wir eine Situation als unbedeutend einstufen, von unseren Aufgaben unterfordert sind oder wenn uns die nötige Motivation fehlt, etwas zu tun. Wie schlecht wir mit Langeweile umgehen können, zeigt eine Studie der University of Virginia.

Elektroschocks statt Langeweile

18 Männer und 24 Frauen wurden abgesondert in einen Raum gesetzt und mit Elektroschock-Geräten verbunden. Ihre Aufgabe lautet: Nichts tun. Handys, Musik, Magazine und andere Beschäftigungen sind verboten. 15 Minuten sollen sie einfach nur dasitzen und nachdenken. Wem das zu langweilig ist, der kann sich freiwillig einen Elektroschock verpassen. Diese wurden im Vorfeld getestet und von den Probanden als sehr unangenehm empfunden. Das würde doch niemand machen, oder?! 12 der 18 Männer und 6 der 24 Frauen verpassten sich lieber selbst einen Schock, statt sich zu langweilen. Woran liegt das?

Ein Erklärungsversuch

Der Mensch hat seit jeher ein Problem mit der Vergänglichkeit – und nichts ist vergänglicher als die Zeit. Die Vorstellung, unsere Lebenszeit könnte wie die Körnchen einer Sanduhr irgendwann aufgebraucht sein, macht uns Angst. Jede Sekunde, jeder Augenblick ist einzigartig – und wird vergehen. Wir werden ständig daran erinnert, dass alles ein Ende hat. Stillstand gibt es nicht, weder in den größeren Systemen, wie der Wirtschaft / dem Kapitalismus, der Wissenschaft, der Technologie noch in unseren Privatleben. Alles ist stetiger Wandel, alles ein ständiges Zeit-Vergehen.

Somit entwickeln wir die Illusion, dass wir jede wache Sekunde sinnvoll nutzen müssen. Dass das erstens nicht möglich ist und der Sinn hinter verschiedenen Dingen im Auge des Betrachters liegt, scheint uns dabei wenig zu interessieren. Warum können wir also nicht mit uns und unseren Gedanken alleine sein? Wahrscheinlich weil das Erlangen von (Selbst-)Bewusstsein durch das Sinnieren über das eigene Leben oder das von anderen nicht mehr als sinnvoll erachtet wird.

Bedeutet das alles nun, dass Langeweile schlecht für uns ist?

In der Tat kann Langeweile sogar zur Gefahr werden. Wenn wir beispielsweise in unserem Praktikum oder Job dauerhaft unterfordert sind, kann das sogenannte Boreout entstehen. Dabei handelt es sich quasi um das Gegenteil des mittlerweile weit verbreiteten Burnout. Beschäftigen wir uns zu lange mit monotonen Aufgaben oder sind ständiger Unterforderung ausgesetzt, verlieren wir den Sinn in unserer Arbeit. Das kann im schlimmsten Fall zu Depressionen führen. Wie uns die Langeweile allerdings auch helfen kann, wird erst seit kurzem untersucht. Mit erstaunlichen Ergebnissen!

Langeweile als Potenzial

In einer weiteren Studie wurden Probanden dazu aufgefordert, kreative Einsatzmöglichkeiten für einen Backstein aufzuzählen. Danach wurden sie in zwei Gruppen unterteilt. Gruppe Nummer eins sollte eine Aufgabe bewältigen, bei der sie sich konzentrieren mussten. Gruppe Nummer zwei sollte eine monotone Aufgabe erledigen, bei der sie nicht nachdenken musste. Danach wurden alle noch einmal nach dem kreativen Nutzen des Backsteins gefragt, wobei sie keine Antworten wiederholen durften. Die Gruppe mit der schwierigeren Aufgabe tat sich sichtlich schwerer, als die Gruppe mit der monotonen Aufgabe. Es scheint, als würde die Langeweile in irgendeiner Form die Kreativität der Menschen fördern.

Wenn man sich Nietzsches Zitat ganz anschaut, kann man erkennen, dass wohl auch er bereits einen notwendigen Nutzen in der Langeweile erkennen konnte:

Für den Denker und für alle erfindsamen Geister ist Langeweile jene unangenehme „Windstille“ der Seele, welche der glücklichen Fahrt und den lustigen Winden vorangeht.

Erfindsame Geister und kreative Köpfe scheinen, laut Nietzsche, die Langeweile ebenfalls als unangenehm zu empfinden. Allerdings ergibt sich aus ihr auch etwas Schönes, Angenehmes.

Langeweile nutzen

Wenn wir uns langweilen, wird unser sogenanntes Tagträumernetzwerk aktiviert. Dabei handelt es sich um einen Ruhezustand, in dem unsere Gedanken einfach umhertreiben. In diesem Zustand kreisen sie um die Vergangenheit und die Zukunft. Dabei werden Erfahrungen, die wir bereits gemacht haben mit Dingen verknüpft, die uns beschäftigen. Denken wir gezielt über ein Problem nach, ist diese Hirnregion inaktiv. Stehen wir nun vor schwierigen Aufgaben, kann es sich also lohnen, das Tagträumen zu aktivieren, um so auf neue und kreativere Lösungsansätze zu kommen – ganz getreu dem Motto ‚Think outside the Box‘.

Auch persönliche Probleme lassen sich in bestimmten Fällen mit Langeweile lösen. Fehlt uns beispielsweise ein Sinn im Leben oder denken wir bewusst über unsere Wünsche und Träume nach, ist das weitaus weniger effizient als wenn wir unsere Gedanken einfach treiben lassen. Das bringt uns auf neue Erkenntnisse uns selbst betreffend. Um Langeweile zu erzeugen und bewusst zu nutzen, können wir beispielsweise in der Natur umherwandern, meditieren oder uns sogenannte ASMR (Autonomus Sensory Meridian Response) Videos anschauen. Probiert doch auch mal wieder, euch zu langweilen. Schaut euch das ultra-langweilige Video an, geht raus, meditiert – oder lasst das Handy beim Warten auf den Zug das nächste Mal doch einfach in der Tasche und bleibt im Hier und Jetzt. 🙂

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Bild: unsplash @Mihai Surdu

Über den Autor/die Autorin

Joey

Das Leben ist kein Wunschponyschlecken. :)

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