Studentenbeiträge

Instagram, Facebook und Tinder machen mich oberflächlich

Oberflächlich - Studentin macht ein Selfie, zwischen ihrem Gesicht und dem Handy befindet sich ein Stop-Zeichen
Geschrieben von Kevin

Ich komme mir gerade vor wie ein Veganer auf einer Grillparty:

„Hey Leute, ich habe mich bei Tinder, Instagram und Facebook gelöscht, das solltet ihr auch lieber tun“

Aber ja es ist so, seit 2 Wochen kein Social Media mehr. Das muss ich natürlich jedem mitteilen, denn ich bin halt einfach verseucht davon mich online zu zeigen. Ich will gar nicht wissen , wie viele Morgende ich an Wochenenden bei schönem Wetter in meinem Bett lag und mir 2-3 Stunden Mist auf meinem Handy reingezogen habe.

Wie häufig höre ich von Freunden, wenn ich was erzähle:

„Ach ja das habe ich schon bei Insta gesehen“. Ist das nicht irgendwie traurig, wie viele Menschen am Strand den Sonnenuntergang fotografieren um dann schnell zurück zum WLAN zu rennen und das Bild hoch zu laden. Schaut mal Leute was ich hier gerade „genieße“. Instagram ist voll von Menschen, die mit diesen Oberflächlichkeiten Geld verdienen. Und ich liege sonntagmorgens in meinem Bett, am besten noch verkatert und schaue mir durchtrainierte Paare auf den Bahamas an. Sie im knappen Bikini, lächelt ihn unfassbar verliebt an, bevor sie mit raus gestrecktem Arsch einen Köpper ins azurblaue Meer macht. Bei mir regnets. Ich war noch nicht mal duschen und denke irgendwas läuft falsch in meinem Leben. Ich bin seit 2 Jahren Single, vorher war ich in langen Beziehungen. Toll wie ich mich selbst entdeckt habe in diesen turbulenten 2 Jahren. Ich habe meine diving license in Thailand gemacht, habe am Lago die Sorapis gecampt, war 9 Tage in Schweden Kanu fahren und habe Klettersteige in den Alpen für mich entdeckt. Auch beruflich läuft es super. Trotzdem liege ich in meinem Bett und schaue mir andere Menschen und ihre Oberflächlichkeiten an. Je länger ich das tue, desto unzufriedener werde ich. Wieso habe ich mir nichts vorgenommen für diesen Sonntag und überhaupt, sind gerade eigentlich alle vergeben?!

Alle posten Pärchenfotos und „Netflix mit Bae“ an diesem verregneten Sonntag.

Plötzlich habe ich den Drang zu zeigen, dass ich gerade nicht faul im Bett liege, ziehe mir meine Fahrradsachen an und fahre los. Im Regen. Bei 15 Grad. Ich finde das geil an sich, man wird wach und fühlt sich lebendig. Warum reicht mir dieses Gefühl nicht? Ich muss noch ein Selfie mit meinem Bike auf der Schulter und klitschnass in meine Story posten. Ich kenne die Reaktionen. Die nächste Stunde verbringe ich dann in der Badewanne um auf all die „du bist so bescheuert“ und „ist das nicht viel zu kalt?“ Nachrichten zu antworten. Auch Frauen, zu denen der Kontakt abgebrochen ist melden sich plötzlich wieder. Auch ein Kollege, der mit seiner Freundin auf der Couch hockt. „Toll und ich muss Gilmore Girls mit meiner Freundin gucken, nächstes Mal möchte ich mit kommen! Meld´ dich dann mal!“

„Ja Klar!“, sage ich. Wir wissen alle, dass ich nächstes mal wieder alleine fahre.

Mittlerweile schreibe ich mit 3 Bekannten. Nur weil ich Fahrrad im Regen gefahren bin. Eigentlich schreibe ich auch schon länger mit einer, die mich wirklich interessiert. Aber irgendwie kommt kein Treffen zustande, obwohl wir beide sagen, dass wir uns wieder sehen möchten. Sie schreibt bestimmt auch noch mit anderen Typen bei Insta.

Eine Woche später muss ich nach Frankfurt zu meiner Schwester. Ich mache ein Foto von der Skyline aus dem Auto heraus und lade es direkt in meine Story. Ich bin ja so cool, ich fahre in eine andere Stadt. Die ersten „Oh, was machst du denn in Frankfurt?“ Fragen trudeln ein. Abends fahre ich zurück und treffe mich mit Freunden in der Stadt. Zu erzählen habe ich nichts. Alle wissen schon, dass ich um 18 Uhr mit meiner Schwester beim Inder essen war in Frankfurt. Ich weiß auch, was die anderen gemacht haben. Ich fotografiere meinen Moscow Mule und markiere die Bar. Ich werde dieses Bild nie hoch laden. Plötzlich wiedert es mich an, wie 50% der Leute in der Bar vor ihren Handys hocken und tindern, posten und chatten. Zack Account gelöscht.

In den letzten 2 Wochen ist mir etwas klar geworden.

Ich halte mich für einen interessanten und selbstbewussten Typen. Instagram und Co. haben nur eine Wirkung auf mich, nämlich dass ich mir jeden Tag das Handy für Selfies in die Fresse halte und mir angucke wie andere noch schönere Bilder machen. Ich bekomme unbegründete Zweifel an mir selbst. Ich habe noch mehr Angst Dinge in meinem Leben zu verpassen, Dinge die ich mir bei anderen angucke. Dabei spielt sich mein Leben direkt vor meiner Haustür ab. Auf der ganzen Welt starren wir auf Stories weit entfernter Personen und Kulturen und werden immer unglücklicher mit unseren Leben und Partnern oder Singledasein. Ich konzentriere mich ab jetzt auf mich und das was ich möchte. Ich merke jetzt schon wie ich kreativer im Kopf werde.

Instagram… vielleicht ist es kein Abschied für immer, aber gerade machst du mich krank.

Über den Autor/die Autorin

Kevin