Diese Frage habe ich mir bereits im ersten Semester meines Studiums gestellt. Und wenn ich mich in meinen Vorlesungen so umsehe, würde ich sagen ’nein‘. Zu viele Kommilitonen sitzen noch mit Stift und Papier bewaffnet um mich herum.
Dabei ist der Grundgedanke doch gar nicht so abwegig: Wir erhalten unsere Vorlesungspläne, Mails, Skripte und Arbeitsaufträge digital. Und wenn wir nicht gerade eine Klausur schreiben, reichen wir auch unsere Ergebnisse, Präsentationen und Studienarbeiten in digitaler (und zusätzlich eventuell zuvor gedruckter) Form ein. Deshalb wäre es doch einleuchtend, auch alle Schritte dazwischen digital und papierlos zu realisieren!
Während meines Auslandssemesters in Belgien habe ich gelernt was es heißt produktiv im Team zu arbeiten: Zum Ende des Semesters hatten wir für jedes Fach eine, in Gruppen von fünf Personen erstellte, Studienarbeit einzureichen. Da habe ich erkannt, dass eine Gruppenarbeit mit vielen Leuten wirklich produktiv nur in digitaler Form und dann am besten noch in der Cloud realisierbar ist. Dafür haben wir Word Online von Microsoft verwendet. Jedes Gruppenmitglied hat also einen Link zum Online Dokument erhalten und hatte Schreibrechte, um dieses nach unseren persönlichen Treffen zu editieren. Nur so war es uns möglich, zu jeder Zeit für alle abrufbar den aktuellen Stand des Projektes bereitzustellen und das digital, editierbar und von jedem Gerät aus. Als ich aus Belgien zurück kam, wusste ich also, dass ich so ab sofort arbeiten möchte. Ich habe seither keine Skripte mehr gedruckt, sondern wichtige Passagen aus der PDF kopiert und in meine Word Mitschrift eingefügt.
Die Vorteile lagen auf der Hand
- Ich konnte meine Notizen nach Stichworten durchsuchen
- Ich habe Papier eingespart
- Alle relevanten Skripte und Mitschriften sind immer dabei und jederzeit abrufbar
- Zum Ende des Semesters konnte ich durch einfaches Kopieren phänomenale Klausurzusammenfassungen schreiben
Genau wegen diesen Vorteilen haben wir auch alle Gruppenarbeiten (zumindest die, an denen ich beteiligt war) mit Word Online realisiert.
Die Frage bleibt also: Wenn man in den Vorlesungen, in den Gruppenarbeiten und am Semesterende bei der Klausurvorbereitung mit den digitalisierten Inhalten so gut zurecht kommt – warum machen es mir die wenigsten Studenten in meinen Vorlesungen nach?
Das Problem sind die technischen Voraussetzungen
Unsere Hochschule ist meiner Meinung nach technisch recht fortschrittlich, was das Bereitstellen der vorlesungsrelevanten Unterlagen angeht. So erhalten wir alle Skripte online und können auch unsere Ergebnisse auf einfache Weise wieder online einreichen. Oft scheitert es aber offenbar an der technischen Ausstattung der Studenten. Zwar haben in meinem Umfeld eigentlich alle Kommilitonen einen Laptop, jedoch wird dieser zumeist aus zwei Gründen nicht intensiv während der Vorlesung genutzt: Performance und Ausdauer.
Ich selbst habe mir zum Studienbeginn einen Laptop gekauft und mich lange informiert. Dieser bringt mich auch heute noch leicht durch 10 Stunden intensives Arbeiten. Bei vielen Kommilitonen sieht das anders aus. Es kommen oft Aussagen wie „Ich hoffe der packt die ganze Vorlesung“, wenn es nur darum geht, dass für einen Vorlesungsblock von 90 Minuten der eigene Laptop benötigt wird.
Auch der Einsatz einer Powerbank dürfte für viele keine Lösung sein, denn bei manchen der klobigen 15-17 Zoll Laptops, die ich tagtäglich sehe, müsste diese Powerbank gefühlt die Größe eines Rucksacks haben, um solche Geräte überhaupt durch den ganzen Tag bringen zu können. Grundsätzlich dürfte eine schwache Batterie kein Problem sein, wenn man sein Gerät leicht laden könnte. Aber genau das ist an der Hochschule nicht immer der Fall. Steckdosen sind rar. Es gibt sie in den kleineren Vorlesungssälen meistens nur direkt an den Sitzplätzen an den Wänden.
Also handelt es sich bei den Problematiken des papierlosen Alltags wohl doch um eine Mischung aus der fehlenden Infrastruktur und der ungenügenden technischen Ausstattung der Studenten.
Das Studium kann papierlos bewerkstelligt werden – theoretisch
Heute trage zumindest ich mein ganzes Studium in ein paar Megabyte mit mir herum. Nach meiner Zeit im Ausland stellte sich mir also nicht mehr die Frage „Kann man sein Studium papierlos bewerkstelligen?“.
Stattdessen sollte man sich wohl fragen „Wenn ich heute nicht einmal mehr diesen Blogbeitrag ohne Mehraufwand papierlos schreiben kann, sollte ich dann nicht grundsätzlich einige meiner anderen analogen Prozesse für die Zukunft überdenken?“.
Was mich angeht, scheinen dieses Semester wieder einige Inhalte meines inzwischen zwei Jahre zurückliegenden Auslandssemesters relevant zu werden. Ich glaube, ich würde mir gar nicht die Mühe machen, hunderte von Seiten Papier danach zu durchsuchen. Da öffne ich doch lieber schnell das entsprechende Dokument und nutze die digitale Stichwortsuche.
Ab jetzt papierlos?
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