Studentenbeiträge

Physikum – jetzt ist’s aber auch langsam mal gut!

Das Physikum im Medizinstudium: Ein Saal steht voller Tische und Bänke für eine Prüfung
Geschrieben von Anna W.

Jeder, der sich im Studium der Medizin befindet, wird früher oder später über dieses Wort stolpern. Und jeder hat einen gewissen Respekt davor. So geht es meinem Semester und mir auch, total im Physikum-Stress, nicht wissen, wo man anfangen und aufhören soll, immer das Gefühl, man könnte noch mehr tun. Jeden Abend bzw. Nacht (eine Uhrzeit nach 0:00 würde ich nicht als „Abend“ bezeichnen) vollkommen fertig ins Bett fallen und mit dem Gedanken einschlafen, dass es morgen und die nächsten Tage genauso weiter geht.

Jetzt, eine Woche vor dem schriftlichen Teil liegen bei jedem die Nerven blank. Einige sind zusätzlich noch im Stress, weil ihr mündlicher Teil des Physikums noch vor dem Schriftlichen liegt.

Haltet durch!

Erst heute ist mir ein eindrücklicher Gedanke geblieben. Bei einer kleinen Lernpause bin ich irgendwie vor unserem Zentrum der Anatomie gelandet. Es war verschlossen und schien so – wie immer in den Semesterferien – leer und verlassen. Keine Studenten weit und breit, lediglich ein paar Fahrräder an den Fahrradständern (und ihrem Aussehen nach zu urteilen, waren sie auch schon länger dort).

Aber doch, da war eine Bewegung, in einem Raum, dessen Fenster zur Straße hinaus gehen. Dort ist Licht an, da steht ein Skelett, sichtbar von meinem Standpunkt aus. Jemand steht auf, jemand anders setzt sich. „Hey Moment mal. Die zwei Gesichter kennt man doch“, schießt es mir durch den Kopf. Zwei meiner Kommilitoninnen. „Was machen die denn hier?“

Es dauert etwas, bis der Groschen fällt. (Der Stress hat eben auch bei mir bemerkbar gemacht.) Das ist ein mündliches Physikum. Oh Gott, die Armen. Vier Stunden lang in diesem Raum sitzen, wo draußen doch wunderschönes Eis-Ess-Kommilitonen-treffen-Rumgammel-Wetter ist. Vier Stunden, mit drei Professoren, drei Kommilitonen und die geprüfte Person selbst. Vier Studenten, die alle nicht minder aufgeregt sind, als ich draußen, denn auch bei mir macht sich Unbehagen breit.

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass sie auch schon eine gewisse Zeit zugange sein müssen, denn circa die Hälfte der Prüfung scheint gelaufen. Etwas in Gedanken schaue ich auf das Skelett. Was wäre, wenn meine Kommilitonen, mit denen ich mein mündliches Physikum habe und ich selbst nun dort wären? Zeitlich würde es auf jeden Fall passen, denn wir werden auch nachmittags dran sein. Aber erst nach dem Schriftlichen. Wir wären nicht minder aufgeregt, stünden alle unter Stress und würden alle versuchen, unser Bestes zu geben.

Aber wird das reichen?

Diese ewige Frage quält vermutlich jeden, der jetzt noch am Lernen ist oder bald fürs Physikum lernen darf.

Das kann vermutlich niemand sagen. Es ist von so vielen Faktoren abhängig. Man kann Glück haben und Themen bekommen, die man wirklich gut beherrscht. Es kann aber genauso gut in die andere Richtung gehen und im Worst Case darf man den ganzen Mist nächstes Semester (oder nächstes Jahr, je nach Uni) nochmal machen.

Irgendwann fiel mir auf, dass ich schon ziemlich lange gedankenverloren auf das Skelett geschaut habe. Es wurde Zeit, heim zu fahren, weiter zu lernen, wieder in den Trott des Lernens zu gehen und sich jedes Mal zu fragen „Reicht das?“

Zuhause angekommen, kann ich mich von dem Bild von der Prüfung nicht so richtig lösen. Ich fragte mich, wie es den vieren dort wohl jetzt gehe, ob sie die Prüfung gemeistert haben, ob sie jetzt „nur noch“ das Schriftliche vor sich hätten.

Eine Nachricht erreicht mich:

„Mündliches Gerockt, alle bestanden. Es ist wirklich nicht so schlimm, wie alle sagen. Du packst das auch! Ganz sicher, ich glaube an dich!“

Hey, eine gute Nachricht, die mich aus dem Lerntrott reißt. Das ist es auch wert. Ich schreibe zurück:

„Meine herzlichsten Glückwünsche! Bin heute zufällig an der Anatomie vorbei gekommen und habe einen Teil eurer Prüfung gesehen. Habe den Nachmittag an euch gedacht. Nochmal herzlichen Glückwunsch und feiert jetzt schön!“

Mit einem Lächeln setzte ich mich wieder vor meine Unterlagen

Richtig produktiv gewesen bin ich heute noch nicht so wirklich. Das wird wieder eine Nachtschicht. Also morgen wieder total gerädert aufstehen und sich mit der Physikumsgruppe treffen und wieder lernen. Aber es halt ja bald ein Ende. Irgendwann reicht es wirklich auch mal.

Inzwischen ist es 2:30. Mein Kopf ist schon gefühlt seit Stunden aus. Das hat keinen Sinn mehr. Morgen dann weiter.

Ich lege mich ins Bett, Schlaf ist in letzter Zeit eine Seltenheit geworden, daher muss man jede Minute auskosten und nutzen. Mir fallen fast direkt die Augen zu. Mein letzter Gedanke geht an meine Kommilitonen, die heute ihr mündliches Physikum bestanden haben. Sie feiern heute Abend sicherlich. Das haben sie verdient. Die Hälfte ist geschafft. Ein bisschen eifersüchtig bin ich ja, nächste Woche nach dem Schriftlichen haben sie frei und können in den wohlverdienten Urlaub reisen, während meine Gruppe und ich noch weiter büffeln für die mündliche Prüfung.

Aber das wird schon. Meine Kommilitonin hat Recht: „Du packst das auch! Ganz sicher, ich glaube an dich!“

„Ja“, denke ich, als der Schlaf mich überrennt, „wir packen das alle!“

Bild: wikimedia

Über den Autor/die Autorin

Anna W.

Hey, ich bin Anna und studiere Medizin in Göttingen.
Ich schreibe über alles, was mich bewegt oder was mir durch den Kopf geht.
Viel Spaß beim Lesen! ;)

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