Ich habe mal wieder meinen Rucksack gepackt und bin alleine losgezogen.
Nun bin ich eigentlich gerade erst angekommen – und habe dennoch gleich wieder eine dieser Begegnungen, die ich bisher nur hatte, wenn ich alleine gereist bin. Seinen Namen habe ich schon wieder vergessen – aber er tut auch nichts zur Sache. Nach maximal 5 Minuten Smalltalk – sprich: “Wo kommst du her?” etc. geht es ans “Eingemachte”.
Er erzählt mir, dass er unter anderem in Marokko ist, weil er gerade nach einer neuen Ausrichtung für sein Leben sucht, sprich sich in einer Sinn-Krise befindet. Sein Job macht ihm zwar Spaß und es hat sogar mit seiner Leidenschaft zu tun (er arbeitet für eine Slackline-Firma) – dennoch arbeitet er einfach viel zu viele Wochenenden durch und kann sich nicht mehr wirklich mit der kommerziellen Seite seiner Leidenschaft identifizieren.
Ich erzähle ihm meine Geschichte. Vom konformen Musterschüler an die Elite-Uni. Wir kommen auf unsere Elternhäuser zu sprechen – beide kommen wir aus konservativ geprägten Familien. Seine Eltern sind Ärzte. Mein Dad ist Jurist. Er erzählt mir, dass es nicht einfach war, für seine Eltern seinen Weg nachzuvollziehen und zu verstehen, dass er keinen traditionellen Beruf einschlagen möchte. Ich erzähle ihm davon, wie hart es für mich war meine Eltern von meinem alternativen Weg zu überzeugen.
Wir merken sehr schnell:
Unsere Eltern wollen vor allem eins: Sie wollen Sicherheit für uns.
Sie wollen, dass es uns gut geht. Sie wollen, dass wir einen Beruf ergreifen, von dem wir leben können. Bei traditionellen Berufen braucht das nicht so viel Vorstellungskraft wie bei Berufen, die gerade erst entstehen. Ärzte und Anwälte gab es schon immer – und es wird sie wohl auch noch eine lange Zeit geben. Und – nicht zu vergessen: Sie verdienen gut. Schlagen wir einen anderen Weg ein, so haben unsere Eltern vor allem eines: Angst.
Angst davor, dass ihr Kind einmal auf der Straße sitzt – im schlimmsten Fall. Angst, dass ich einmal meine Familie nicht ernähren kann. Sie haben existenzielle Ängste – um uns. Daher sagen sie uns auch:
“Jetzt machst du erst einmal was Richtiges, dann kannst du ja immer noch was Anderes machen.”
Schön gesagt ist das. Aber so funktioniert das leider auch nicht. Was ich mich frage: Können unsere Eltern uns überhaupt wirklich verstehen? Ich weiß es nicht genau. Ich glaube, sie können es nur bis zu einem bestimmten Grad. Sie sind einfach in einer anderen Generation aufgewachsen. Mit anderen Glaubenssätzen – einem anderen “Mindset”, wenn ich das so neudeutsch sagen darf.
Der Sicherheitsgedanke spielte für sie noch eine viel größere Rolle, als er das für uns tut. Wir sind eben eine andere Generation. Zu verstehen, dass meine Eltern mich nur bis zu einem bestimmten Grad verstehen können, war ein wichtiger Schritt für mich. Zugleich war es ein harter Schritt. Aber es war ein notwendiger Schritt, um mich von ihren Glaubenssätzen frei zu machen.
Um mich auf das einlassen zu können, was ich mit meinem Leben vorhabe. Und dazu gehört eben auch zu akzeptieren, dass selbst meine Eltern nicht immer alles verstehen können, was ich mit meinem Leben vorhabe.