Warum einen Abschluss machen? frage ich mich. Warum mit einer Masterarbeit quälen und schon über die Doktorarbeit spekulieren? Warum überhaupt etwas abschließen? In meinem Fall lautet die Antwort schon immer: um frei zu sein. Vielleicht auch um mich ein bisschen erwachsen zu fühlen. Oder weil ich glaubte, dass ich das dann tun würde, wenn ich einen (oder mehrere) Abschlüsse in der Tasche hätte. Oder zumindest bestätigt, in irgendeiner Form. Aber mal ehrlich, erwachsen sein – was ist das schon?
Alles ist anders nach deinem Abschluss
Bei meinen Eltern hörte sich das irgendwie ganz einfach an. Die machten Abitur, oder wie wir in Österreich sagen: Matura, und errungen dann auf der Uni ihren Magister-Titel. Der war dann irgendwie der Abschluss und gleichzeitig der Startschuss in ein selbstbestimmtes, freies und ganz und gar ‚erwachsenes‘ Leben. Zumindest hatte ich das Gefühl, dass es so funktionierte. Und es wurde mir wohl auch so vermittelt.
Jetzt, wo ich selbst auf dem Weg zu diesem erhofften Abschluss bin, der dann alles beginnen und ermöglichen soll, erkenne ich, wie viel Zeit doch zwischen der Jugend meiner Eltern und mir vergangen ist. Das klingt jetzt vielleicht komisch, wenn ich das so schreibe, aber überlegt mal selbst. Sind eure Eltern nicht auch Inspiration auf irgendeine Art und Weise? Übernehmt ihr nicht auch unbewusst viel von ihnen und geht ein bisschen auf deren Fährten spazieren? Die Welt ist aber heute eine andere. Das ist nicht wirklich neu oder überraschend, aber trotzdem wird mir bewusst, dass ich damit nicht so ganz gerechnet habe. Versteht ihr?
Zielrichtung Freiheit
Um ehrlich zu sein, zweifle ich im Moment ein bisschen an meiner zum Ziel gesetzten Freiheit, die ich mit meinem Abschluss erreichen wollte. Finanziell bemerke ich, kommt die Freiheit gar nicht mit den Abschlüssen wie eigentlich geplant. Ich habe nicht nur einen Freund, der mit Mitte zwanzig, oder Anfang dreißig noch zuhause bei den Eltern, in seinem Kinderzimmer wohnt. Egal ob er Master of Whatever ist, Mädchen-Besuch muss um spätestens 22 Uhr in deren eigenes Zuhause zurückkehren. Ganz schön unsexy, Mamas Regeln. Hat man sich irgendwie besser vorgestellt, damals, als man mit ganz vielen Plänen und doch wenig Plan vom Leben in die nächste Stadt gereist ist, um sein Studium zu beginnen.
Mit einem Abschluss ist es dann heute auch schon gar nicht mehr getan. Man muss viel mehr sein und noch viel mehr werden und das Potential mitbringen, alles sein zu können. Das ist doch verrückt, oder? Abschlüsse macht man natürlich aber nicht nur auf der Uni, oder ganz allgemein im akademischen Zusammenhang. Abschließen kann man auch eine Phase in seinem Leben. Ein Zeitfenster, eine Version deiner selbst, die irgendwie aus- bzw. abgelaufen ist. Ein Kapitel endet. Ein anderes beginnt.
Ein Abschluss mit Abschlüssen
Ich beschließe jetzt mal einen Abschluss mit meiner Erwartungshaltung gegenüber Abschlüssen zu machen. Das fällt mir ein bisschen schwer. Vielleicht findet sich die Generation What zu der man uns zählt, ja auch gerade in solchen quasi-Dilemmas wieder. Aber ich finde es eigentlich nicht schlimm ein Twentysomething-What zu sein. Blöd ist doch, wenn man aufhört zu fragen, richtig? Und generell kann man schon mal fragen what, also was, hier schief läuft und warum gerade Abschlüsse so viel an Bedeutung verloren haben, oder nicht mehr das garantieren, was sie eigentlich vorgeben zu tun, bzw. was deren Erwerb immer noch (fälschlicher Weise?) suggeriert. Lieber eine Generation-What, als eine Generation-Whatever.
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