Achtung: Vorher unbedingt Teil I der Geschichte lesen!
Fortsetzung:
Ich war also auf dem Weg vom Glühweinstand Richtung Seminarraum. Meine Laune war so gut wie lange nicht und die Klänge meines eben bei Itunes zum Schnäppchenpreis (19.90 Euro!!!) erworbenen Weihnachtsalbums ließen mich in zuvor nicht bekannten Höhen schweben. Am Ausgang des Weihnachtsmarktes saß ein Farbiger, der auf einem Klapptisch singende Elche, blinkende Weihnachtsmützen und solche Rentierhaarreife, wie Saskia einen trug, verkaufte. Ich entschied mich spontan für 2 blinkende Weihnachtsmützen, eine für mich und die andere für Tobi, den ich gleich im Seminar treffen würde. Überschwänglich beschloss ich die Integration in Deutschland voranzutreiben: „Du feiern auch Weihnachten in deiner Heimat?“ Der Farbige schüttelte ungläubig seinen Kopf, auf dem auch ein Rentierhaarreif befestigt war und meinte nur: „Alter, ich bin Deutscher…“ „Achso…“ Ihm ein frohes Fest wünschend suchte ich das Weite.
Jingle Bells, Jingle Bells…
Nur noch wenige Meter trennten mich vom Seminar von Prof. Brockmüller. Schnell stellte ich meine fast leere Feuerzangenbowle Tasse neben einen Flöte spielenden Obdachlosenen, als mir das Glühwein-Angebot von Netto ins Auge fiel. Ich beschloss das Seminar etwas aufzulockern und erstand einen Sechserpack Glühwein. Mit diesem bestückt, stiefelte ich die Treppen in den 3. Stock des Gebäudes. Passend zu der Rock Version von Jingle Bells, die aus meinen Kopfhörern dröhnte, klopfte ich mit der einen Hand am Metallgeländer den Beat nach. Da mir der Sound des Geländers besonders in den Tiefen noch nicht so gut gefiel, sinierte ich kurz darüber, bei Gelegenheit den Hausmeister darauf anzusprechen. Noch bevor ich an der Türe des Raumes ankam, streckte ein angestrengt schauender Brockmüller seinen Kopf aus der Tür. „Was machen sie denn für einen Krach, wir haben gerade schon angefangen“.
„Tscchuldijung“ murmelnd schwankte ich, die Blinkmütze auf dem Kopf, den Glühwein unterm Arm, in den Kurssaal. Fassungslos starrte mir Brockmüller nach, genauso wie Tobi, neben dem ich mich in der letzten Reihe niederließ. Der nahm mir erst einmal meine Mütze ab und flüsterte mir unverständliche Laute zu. Ich meine „bescheuert“, „stinken“, „rotzevoll“ und „von allen Geistern verlassen“ herausgehört zu haben.
Weihnachts-Rede
Die Besprechung der Seminaraufgaben begann. Jedesmal, wenn die Lösung des Lehrkörpers mit meiner im Arbeitsheft übereinstimmte, kommentierte ich dies mit einem langgezogenen „rrrrrrichtisch“. Beim zweiten Mal ordnete mir Tobi Redeverbot für den Rest der Stunde an. Kurz bevor die die Hälfte des Kurses zu Ende war, meldete ich mich zu Wort. Der Kurs starrte gebannt auf mich und Brockmüller lies mich mit einem Nicken zu Wort kommen. Tobi grunzte irgendwas von „krass, krass“ und zückte seine Iphone Kamera.
Ich begann mit meiner Rede, von der ich glaubte sie in den letzten 30 Sekunden perfekt einstudiert zu haben:
„Liebe Freunde, Weihnachten steht vor der Türe und ich blicke in Gesichter, die mit diesem freudvollen Fest nicht in Einklang stehen. Ihr müsst euch entspannen und den Stress vor den Festtagen vergessen. Deshalb habe ich diesen wundervollen Trank mitgebracht, dass er uns den Rest der Stunde etwas Wärme und weihnachtliche Stimmung schenken soll. Deswegen bereite ich diesen jetzt auf der Wärmplatte des Fachschaftsraumes vor. Ihr seid alle eingeladen“
Zufrieden blickte ich in die Runde. Irgendwie muss ich komisch geklungen haben. Die Meisten vergruben ihre Gesichter vor Lachen in Ihren Händen und in der ersten Reihe besudelte sich ein Mädel mit Mineralwasser, was ihr aus der Nase lief.
„Machen Sie Ihre Plörre warm.“
Prof. Brockmüller überlegte, ob er Losbrüllen sollte. Dann entspannte sich seine Miene und er antwortete: „Herr Matthias Holsterhausen, was Sie heute abziehen ist unter aller Sau. Noch nie hat sich jemand gewagt, in dem Zustand mein Seminar zu besuchen. Allerdings kenne ich Sie als höflichen und ehrgeizigen Studenten. Machen sie Ihre Plörre warm, ist ja die letzte Stunde“
Der Kurs jubelte. Der Glühwein schmeckte besonders gut, hatte ich ja auch selber gemacht. Ich begann, Saskia bei Facebook Bilder zu schicken und jedes Statusupdate bis 3 Monate in der Vergangenheit zu Liken. Danach stürzte Santas Schlitten mit seinen Rentieren ab. Man könnte auch sagen, ich hatte einen Filmriss.
Ich wachte auf. In der Küche stand ein halb aufgegessenes Nudelgericht (Tomate), das Klo sah aus, als hätte jemand große Mengen Rotwein erbrochen und vor meinem Schreibtisch stand ein Weihnachtsbaum mit kleinen selbstgebastelten Geschenken aus Tonpapier, den ich offensichtlich auf dem Nachhauseweg irgendwo „organisiert“ hatte. War nicht schräg gegenüber ein Kindergarten? Verdammt.
Ich hatte 5 neue Facebooknachrichten, 76 Likes auf mir noch unbekannte Bilder und Saskia hatte mir irgendwelche Herzchen geschickt. Eigentlich alles im Lot.
Frohe Weihnachten. 🙂